Staatsanwalt zollte Zeuginnen Respekt

Die beiden Neumarkterinnen, die vergeblich gegen den Flammentod des 53-jährigen Obdachlosen Zygmunt R. ankämpften: Birgitt Hoffmann (links) und Bettina (Tina) Naubert.
Fotos: Erich Zwick
NEUMARKT. "Sie haben alles versucht, um ein Menschenleben zu retten. Respekt vor Ihrem beherzten Eingreifen."

Diese hohe Anerkennung - ganz und gar nicht alltäglich in einem Gerichtsverfahren - zollte Staatsanwalt Reinhard Lubitz, der Leiter der Jugendabteilung, den beiden Neumarkter Zeuginnen Birgitt Hoffmann (36) und Bettina (Tina) Naubert (40), die am Dienstag in dem Prozess gegen vier Sandler gehört wurden. Eine Frau und drei Männer - darunter ein 30 Jahre alter gebürtiger Neumarkter - hatten im November 2002 einen schlafenden Obdachlosen auf einer Parkbank am Altdorfer Ankerweiher angezündet und damit getötet (über den ersten Verhandlungstag berichtete neumarktonline aktuell am 24. Juni).

Staatsanwalt Reinhard Lubitz
Den beiden jungen Frauen stand das Entsetzen wieder ins Gesicht geschrieben, als sie ihre schrecklichen Erlebnisse jener dunklen Spätherbstnacht aus der Erinnerung hervorholten. Die Jugendstrafkammer - die Hauptangeklagte Jana T. war zur Tatzeit erst 17 - unter Vorsitz von Helmut von Ciriacy-Wantrup war von der bildhaften Schilderung der Zeuginnen stark beeindruckt.

Wie sie erzählten, als aus einem abendlichen Gassigehen mit einem Vierbeiner ein Horrortrip wurde, an dessen Ende ihre eigene Ohnmacht stand. Sie waren zufällig hinzugekommen, als auf der hintersten Parkbank zwei vermeintliche Fackeln ihr gesteigertes Interesse weckten. Beim näheren Hinsehen erwiesen sich die "Fackeln" als ausgestreckte Arme eines Menschen, der mit nach hinten hängendem Kopf auf der Parkbank hilflos den Flammen ausgesetzt war.

Ihren ersten Plan, das Feuer mit der Schutzjacke der Zeugin Tina zu löschen, verwarfen sie, weil sie befürchteten, das Polyestermaterial könnte die mörderischen Flammen nur noch mehr entfachen. Blitzschnell holten sie aus einem Papierkorb den darin befindlichen Plastiksack heraus, rannten zum etwa 20 Meter entfernten Weiher und befüllten ihn - mindestens sieben Mal - mit Wasser, das sie über die noch lebende Fackel gossen.

Die vier Angeklagten; rechts die treibende Kraft Jana T., vorne einer der vier Verteidiger
Ihre lauten Hilfeschreie blieben bis dahin ungehört, obwohl die nächste Bebauung durchaus in Rufweite liegt. Aber niemand reagierte. Als das Feuer kurzzeitig erloschen war, klingelten die beiden Frauen in der Nachbarschaft, die sich aber nicht sonderlich engagierte. Den völlig aufgelösten Retterinnen war es vorbehalten, wieder an den Brandort zurückzukehren, wo sie den 53-jährigen Zygmunt R. erneut in Flammen vorfanden und wieder begann ein dramatischer Wettlauf zwischen Weiher und Parkbank, den schließlich die beiden bis zur Erschöpfung kämpfenden Frauen verloren.

Die Zuhörer, unter ihnen wohl auch eine Freundin der Angeklagten, die dieser wie zum Hohn fröhlich zuwinkte, litten förmlich mit den beiden engagierten Zeuginnen noch einmal mit. Bettina Naubert: "Das war das schrecklichste Erlebnis meines Lebens" und Birgitt Hoffmann pflichtet ihr bei: "Das war der schlimmste Geruch, den ich jemals in meiner Nase hatte."

Die Verhandlung wird fortgesetzt.
Erich Zwick


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