"Blutrache und Ehrenmorde"

NEUMARKT. Den Rundumschlag eines Kriminaldirektors gegen einen Türkei-Beitritt hörten die Mitglieder des CSU-Kreisvorstandes.

Ein Rückblick auf die Bundestagswahl und ein Statement von MdB Alois Karl standen bei der Sitzung des CSU-Kreisvorstandes ebenfalls auf der Tagesordnung.

Im Mittelpunkt stand aber ein Bericht zum Thema: "Ist die Türkei unter sicherheitspolitischen Gesichtspunkten reif für die EU ?". CSU-Kreisvorsitzender Albert Füracker konnte dazu Kriminaldirektor Werner Mikulasch begrüßen, der sich im Rahmen eines Phare Twinning Projektes der Europäischen Union mit der Kriminalitätsbekämpfung in der Türkei unter EU-Standards auseinandersetzte.

Untersucht wurde die Polizei- und Justizarbeit in der Türkei vor allem im Hinblick auf die Themen "Stellenwert der Polizei und Justiz", "Einhaltung der Menschenrechte", "Organisierte Kriminalität, Wirtschaftskriminalität und Korruption". Der Referent berichtete über den Besuch von Polizeidienststellen und Gefängnissen und auch von Widerständen seitens der türkischen Behörden bei der Erstellung des Berichtes.

Mikulasch betonte die Notwendigkeit, solche Untersuchungen durchzuführen, um Kontakte zu knüpfen, die letztlich dazu dienen sollten, gemeinsam gegen die organisierte Kriminalität vorzugehen. Diese Zusammenarbeit ist seiner Meinung nach dringend notwendig, unabhängig davon, ob die Türkei einmal EU-Mitglied wird oder nicht. Gerade bei der Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität sei ein gemeinsames Agieren über Ländergrenzen hinweg unverzichtbar.

Alleine in Deutschland seien in den vergangenen Jahren rund 40 muslimische "Ehrenmorde" registriert worden. Außerdem wäre in dieser Zeit eine unbekannte Zahl von Mädchen in die Türkei gebracht worden. Mit den "Ehrenmorden" solle die "befleckte Ehre der Familie" wieder hergestellt werden. Für die Tat werde meist der jüngste Sohn der Familie bestimmt, weil dieser die geringste Strafe zu erwarten hat, behauptete Mikulasch.

Mikulasch zeigte anhand seines Folienvortrages auf, wo es seiner Meinung nach die größten Defizite gäbe. Während in den Großstädten wie Istanbul oder Ankara die westliche Prägung schon sehr weit vorangeschritten sei, könne man in anderen Landesteilen "durchaus Zweifel" an der Einhaltung der Menschenrechte aufgrund möglicher Rechtsverletzungen und polizeilicher Übergriffe haben. Foltervorwürfe aus der Bevölkerung gegen staatliche Institutionen seien nach wie vor vorhanden, sagte Mikulasch. Außerdem sei "die Machtstellung des Militärs und dessen Einfluss auf die Politik ungebrochen".

Auch die "Blutrache" werde nach wie vor bei Auseinandersetzungen von Familienclans ausgeübt.

Die Ausübung der Religionsfreiheit stehe vielfach nur auf dem Papier.

Das Fazit des monatelangen Aufenthaltes: Von einer "Beitrittsreife" sei die Türkei nach Mikulasch´ Meinung noch "sehr weit entfernt" und gerade der Weg der Polizei und Justiz in Richtung "EU-Standard" werde noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Es müsse eine ganze Reihe von rechtlichen Veränderungen, wie z.B. die Einführungen eines Polizeiaufgabengesetztes, vorgenommen werden.

Die Berichte aus dem Projekt wurden inzwischen von der EU-Kommission eingespeist. Die "aufgezeigten Defizite" hätten allerdings nur in Teilbereichen bei der EU-Kommission Berücksichtigung gefunden.
31.10.05
Neumarkt: "Blutrache und Ehrenmorde"
Telefon Redaktion


Telefon Redaktion


neumarktonline - die Internet-Tageszeitung. Aktuelle Berichte, Meldungen und News aus Neumarkt in der Oberpfalz im Internet
ISSN 1614-2853
21. Jahrgang
Zur Titelseite neumarktonline
ISSN 1614-2853
21. Jahrgang
neumarktonline - die Internet-Tageszeitung. Aktuelle Berichte, Meldungen und News aus Neumarkt in der Oberpfalz im Internet
ISSN 1614-2853
18. Jahrgang