Ilse-Haas-Weg eingeweiht


Landtags-Vizepräsidentin Barabra Stamm (am Rednerpult) war einer der Ehrengäste bei der Feier im Stadtpark.


OB Thumann enthüllt zusammen mit den aus den USA ange-
reisten Brüdern den neuen "Ilse-Haas-Weg.
NEUMARKT. Im Beisein ihrer beiden aus den USA angereisten Brüder wurde am Mittwoch der nach der Neumarkter Jüdin Ilse Haas benannte Weg im Neumarkter Stadtpark feierlich eingeeweiht. Oberbürgermeister Thomas Thumann sagte, der Ilse-Haas-Weg solle "an die Vergangenheit erinnern und uns zur Wachsamkeit anhalten".

Ehrengäst bei der Feier im Neumarkter Stadtpark waren neben zahlreichen Verwandten der Namensgeberin auch die Vizepräsidentin des Bayerischen Landtages, Barbara Stamm, der Landesvorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern, Dr. Josef Schuster sowie Gisela Naomi Blume von der Israelitischen Kultusgemeinde Fürth und Ilse Snopkowski aus München.

Ganz besonders begrüßte OB Thumann aber die Familien Ernest und Walter Haas in Neumarkt, sowie die Familien Kurtenbach, Kral und Leisker sowie Fr. Pearlstein und H. Lampe und das ehemalige Kindermädchen der Familie Haas, Rosa Junckert. Natürlich waren auch zahlreiche Abgeordnete, Landrat Albert Löhner und viele Stadträte gekommen.

Neumarkt verstehe sich gerne als Stadt, "in der Moderne und Tradition ihren Platz haben", sagte Thumann. Neumarkt sei aber auch eine Stadt, "die sich ihrer Geschichte stellt - auch dem Abschnitt der Geschichte, der mit den Schlagworten Nationalsozialistische Herrschaft, Drittes Reich, Holocaust und anderen nur unzureichend beschrieben wird".

Gemischte Reaktionen



NEUMARKT. Noch vor der offiziellen Einweihung des Ilse-Haas-Weges protestierten am Mittwoch die vier Stadträte von FLitZ und Grünen mit einem von ihnen so bezeichneten "Denk-mal" für eine Umbenennung der nach einem Nazi-Maler benannten Albert-Reich-Straße in Neumarkt.

Nachdem ihnen die Aufstellung des schweren Steins vor dem Rathaus nicht gestattet wurde, transportierte man ihn mit einem Traktor kurzzeitig zum Oberen Markt in Höhe Mittlerer Ganskeller. Künftig soll er auf Privatgrund stehen.

Gleichzeitig mit der Ablehnung der Albert-Reich-Straße wurde auf dem Stein auch dokumentiert, daß man die Benennung des Ilse-Haas-Weges sehr begrüße. Neben viel Zustimmung von Passanten erhielten die Initatoren der Aktion nach eigenen Angaben auch "üble Beschimpfungen".

Unter den interessierten Betrachtern war auch einer der Brüder von Ilse Haas, Walter Haas (auf dem Foto links, zusammen mit seiner Frau Florence und FLitZ-Stadtrat Hans-Jügen Madeisky)
Thumann erinnerte an das Schulprojekt am Ostendorfer Gymnasium unter der Leitung von Helmut Enzenberger, bei dem die Schüler diese Seite der Geschichte "im wahrsten Sinne des Wortes erarbeitet und für sich und andere gewissermaßen erlebbar gemacht haben". Sie hätten damit einen "schmerzlichen, aber auch notwendigen Zugang zum jüdischen Leben in der Nazizeit" geschaffen und "dem Leiden und Schrecken so Vieler ein Gesicht und einen Namen gegeben".

Durch die Vorarbeiten und das Musical haben die Schüler Kontakt zu den Brüder der von den Nazis in einem KZ ermordeten Ilse Haas, mit Ernest und Walter Haas, aufgenommen.

Heute erfahre das "Projekt Ilse" mit der Benennung dieses Weges nach Ilse Haas eine weitere Würdigung und "einen dauerhaften Platz in unserer Stadt", sagte Thumann. Zugleich füge man mit diesem Weg der Bewältigung der Vergangenheit in Neumarkt einen weiteren und wichtigen Meilenstein hinzu.

Der Oberbürgermeister erinnerte an zahlreiche Bemühungen der Stadt wider das Vergessen. So habe er bereits im letzten Jahr eine Aufarbeitung Neumarkts im Nationalsozialismus durch das Kulturamt in Auftrag gegeben.

Die von Bürgermeister Arnold Graf im Jahr 2001 initiierte Internationale Jugendbegegnung sei eine weithin wahrgenommene und erfolgreiche Veranstaltung geworden, "mit der wir gegenüber unseren Nachbarn im Osten kundtun, dass wir die Vergangenheit als schreckliche Gegebenheit ansehen und gleichzeitig Aussöhnung und Freundschaft anstreben".

Bereits seit vielen Jahrzehnten pflege man mit dem Volksbund deutscher Kriegsgräberfürsorge den Kriegsgräberfriedhof am Föhrenweg, die größte Kriegsgräberstätte mit ausländischen Verstorbenen der Weltkriege in ganz Süddeutschland.

Im Jahr 2005 wurde im Stadtteil Wolfstein ein Friedenskreuz aufgestellt, das an das frühere Durchgangslager und das Leid seiner Insassen erinnern soll.

Das jüdische Leben in Neumarkt sei bereits in der Vergangenheit "kenntlich gemacht" worden, zum Beispiel mit dem jüdischen Friedhof in der Gießereistraße oder dem 1995 an der Ringstraße zusammen mit dem Landesverband der israelitischen Kultusgemeinden in Bayern errichteten Gedenkstein, "mit dem wir an die jüdischen Mitbürger unserer Stadt erinnern, die während der nationalsozialistischen Diktatur verfolgt, vertrieben und ermordet worden sind".

Am Standort der ehemaligen Synagoge in der Hallertorstraße sind auf einer Gedenktafel die Daten des jüdischen Gotteshauses festgehalten. Und im "Schreiberhaus" in der Bräugasse habe man bei den Sanierungsarbeiten im Keller ein jüdisches Ritualbad, eine Mikwe, entdeckt, die seit der Fertigstellung der Sanierung ein wichtiger Bestandteil des ältesten noch erhaltenen Bürgerhauses der Stadt geworden ist. Thumann: "Mit dem Ilse-Haas-Weg fügen wir nun ein weiteres, wichtiges Zeichen hinzu".

Mit der Namensgebung des Weges wolle man deutlich machen, daß "das Leben unserer jüdischen Mitbürger in Neumarkt nicht vergessen ist und wir tiefen Anteil an ihrem Schicksal nehmen". Dieser Abschnitt des Stadtparks sei ganz bewusst als neuer Ilse-Haas-Weg gewählt worden, sagte Thumann. Zum einen schließe er direkt an den Geschwister-Scholl-Weg an, der entlang der Mädchenrealschule bis hierher zum Stadtpark führt. So erhalte man mit dem im Jahr 2005 benannten Geschwister-Scholl-Weg und dem Ilse-Haas-Weg ein Mahnmal dafür, "welche Folgen eine totalitäre, menschenverachtende Herrschaft haben kann". Zum anderen habe man diesen Abschnitt des Stadtparks aber auch gewählt, "weil es der Weg war, den Ilse Haas gerne gegangen ist".

Der Weg solle an Ilse Haas erinnern und mit ihr an das Schicksal aller im Dritten Reich verfolgten, vertriebenen und getöteten jüdischen Mitbürger. Thumann: "Der Ilse-Haas-Weg möge uns daher künftig an die Vergangenheit erinnern und uns zur Wachsamkeit anhalten". Zugleich solle er "uns aufrufen, dass wir uns für eine Welt einsetzen, in der menschenverachtende Kriege genauso wenig Platz haben wie Antisemitismus, Rassismus und die Verfolgung aus religiösen oder anderen Motiven".
25.07.07
Neumarkt: Ilse-Haas-Weg eingeweiht
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