Auf ein Wort

von Pfarrer Martin Hermann

Diskussionen um Reformen in unserer Gesellschaft gibt es viele. Kommissionen, politische Parteien, Gewerkschaften und Verbände streiten um nötige Reformen für den Arbeitsmarkt, für die sozialen Systeme, für die Absicherung der Renten. Dass einschneidende Reformen in Staat und Gesellschaft nötig sind, bezweifelt kaum jemand. Was aber tatsächlich zu Tage tritt, ist oft Flickschusterei statt mutiger Reformen, weil viele Politiker statt auf das Wohl der Bürger auf die nächsten Wahlen schielen.

In dieser Situation ist es hilfreich, sich an Männern und Frauen zu orientieren, die Reformen mutig angepackt haben. Das Reformationsfest der Evangelisch-Lutherischen Kirche erinnert an den Reformstau der Kirche des 16. Jahrhunderts. Es erinnert an Dr. Martin Luther, der am 31. Oktober 1517 sein Reformpapier zur Diskussion stellte. Ob er dieses Reformpapier - abgefasst in 95 Thesen - tatsächlich mit Hammerschlägen an die Schlosskirchentür in Wittenberg befestigte, ist umstritten. Sicher ist, dass seine Thesen wie Hammerschläge wirkten, die die ganze Kirche und Gesellschaft erschütterten, ja das ganze Mittelalter aus den Angeln gehoben hat. Dabei wollte Luther keineswegs eine neue Kirche gründen. Vielmehr ging es ihm zunächst um die Erneuerung der damaligen Kirche. Er benannte mutig vorhandene Missstände (Auslöser war eine oft scheinheilige Ablass-Praxis), mahnte Reformen an. Er wollte die Kirche von ihrem Besitzstand-Denken befreien hin zu einem Leben aus der Bibel und persönlichen Gottvertrauen. Charakteristisch für Luther war, dass er es wagte, auch unbequeme Wahrheiten auszusprechen. Aus seinem neu entdeckten Gottvertrauen hatte er den Mut, gegenüber einer mächtigen Mehrheit zur eigenen Überzeugung zu stehen.

Als sich Jahre später abzeichnete, dass Luther für sein Anliegen viele Freunde gefunden hatte, dass aber Rom und Kaiser aus ganz unterschiedlichen Gründen dauerhaft gegen ihn stehen würden, war die Spaltung der Kirche nicht mehr aufzuhalten und markiert die Entstehung der Evangelischen Kirche.

Mit Gottesdiensten und Feiern wird am 31. Oktober an die Anfänge der Evangelischen Kirche und an die vier Kernpunkte evangelischen Glaubens erinnert:
  1. "Jesus Christus allein". Jesus als einziger Mittler zwischen Gott und Mensch; Jesus ist der einzige Weg zu Gott und zugleich Mitte der Heiligen Schrift.
  2. "Aus Gnade allein". Das ist die Erkenntnis, dass alles Wesentliche im Leben ein Geschenk Gottes ist. Das ich mir Gottes Gnade nicht verdienen muss, sondern, dass er mir seine Gnade um Christi Willen schenkt.
  3. "Durch den Glauben allein". Durch den Glauben werde ich von Gott angenommen. Daraus resultieren Taten der Nächstenliebe, bekommt mein Glaube "Hände und Füße".
  4. "Die Heilige Schrift allein". Mein Glaube und Gewissen ist allein an die Heilige Schrift gebunden und ist keinerlei lehramtlicher Kontrolle unterworfen. Das heißt: Jede kirchliche Äußerung ist an der Bibel zu prüfen. Und das heißt auch: Nie mehr wird es Herrschaft von Mächtigen über das Gewissen geben, ohne sie in freier, mündiger Entscheidung an der Bibel prüfen zu können.
Die daraus gewonnene "evangelische Freiheit" wurde und wird von manchen skeptisch beobachtet. Evangelische Freiheit öffnet jedoch nicht das Tor zur Beliebigkeit. Sie ist immer mit Liebe und Verantwortung verbunden. Sie ist keine Willkür. Wer weiß: Meine Würde und die jedes Menschen ist Gottes Geschenk, der wird nicht faul und gewissenlos. Der trägt vielmehr Verantwortung für andere und für das Gemeinwesen. Der setzt sich ein, wo die Würde anderer beschädigt wird.

Evangelische Freiheit kennt nur eine Bindung, die an Jesus Christus, wie er von der Heiligen Schrift verkündigt und wie er im Wort der Predigt und in der Feier der Sakramente erfahren wird. Diese alleinige Bindung macht innerlich frei und ermutigt zu kirchlichen Reformen auch in unserer Zeit.

Sie wirkt hoffentlich ansteckend und mutmachend auch auf andere in unserer Gesellschaft, die Verantwortung tragen in Politik und Wirtschaft für anstehende Reformen.
31.10.07
Neumarkt: Auf ein Wort
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