Auf Spurensuche


Auch in Neumarkt marschierten die SA - hier am Unteren Tor.
Foto:Stadtarchiv
NEUMARKT. Zum 75. Jahrestag der "Machtergreifung" Hitlers hat OB Thumann das Kulturamt und das Stadtarchiv beauftragt, die Geschichte Neumarkts in der Weimarer Zeit und der Diktatur der Nazis zu untersuchen. Jetzt wird eine Ausstellung vorbereitet.

Das Jahr 1933 markierte für Deutschland eine einschneidende Wende – damals gelang es Adolf Hitler, die noch jungen demokratischen Strukturen der Weimarer Republik in eine uneingeschränkte Diktatur umzuwandeln. Nach der Ernennung zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 benötigte er lediglich 1 ½ Jahre zur Festigung seiner Macht. Bereits im Februar 1933 wurden die wichtigsten Grundrechte außer Kraft gesetzt, vier Wochen später der Reichstag entmachtet und die Länderparlamente aufgehoben; Gewerkschaften im Mai aufgelöst, alle Parteien bis auf die NSDAP im Juli verboten.

Repressalien richteten sich gegen Mitglieder der politischen Opposition; jüdische Mitbürger wurden schikaniert, terrorisiert und nicht nur ihrer Bürgerrechte sondern letztlich ihres Lebens beraubt. Die braune Willkür erfasste alle Lebensbereiche, wie dies schon im Mai 1933 die ersten Bücherverbrennungen signalisierten.

Nach dem Tod Paul von Hindenburgs Anfang August 1934 hatte Adolf Hitler als Reichskanzler und Reichspräsident in einer Person das Ziel der Alleinherrschaft erreicht. Fünf Jahre später entfesselte sein Größenwahn den Zweiten Weltkrieg, dem über 60 Millionen Menschen zum Opfer fielen und der Deutschland in den militärischen, wirtschaftlichen, kulturellen und moralischen Ruin getrieben hat.

Auch in Neumarkt wurde 1933 dem Führer zugejubelt. Daraufhin hatten Bürger und Bürgerinnen über Jahre hinweg Terror und Barbarei stillschweigend geduldet, mitgetragen, wenn nicht gar gutgeheißen oder ertragen müssen. 75 Jahre danach sollen die Geschehnisse dieser Jahre in unserer Stadt nun erstmals wissenschaftlich erforscht und dargestellt werden.

Oberbürgermeister Thomas Thumann hat dazu das Kulturamt beauftragt, eine Ausstellung im Stadtmuseum vorzubereiten, die den Weg Neumarkts im Zeitraum von der ersten Demokratie auf deutschem Boden bis zur Diktatur des Nationalsozialismus nachzeichnet.

Dazu soll auch eine Publikation des Stadtarchivs erscheinen. Stadtarchivar Dr. Frank Präger widmet sich in seinem Beitrag den politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Grundlinien der Stadtgeschichte zwischen 1918 und 1945. Darin zeigt er die Entwicklung einer kleinen bayerischen Kommune mit knapp 10.000 Einwohnern und relativer Eigenständigkeit von der Weimarer Zeit bis in das Dritte Reich hinein, als alle Lebensbereiche gleichgeschaltet waren.

Im Stadtmuseum sollen zeitgenössische Bilder und Objekte diese ereignisreichen Jahre aufzeigen, soll das für die Nachgeborenen meist Unbegreifbare dokumentiert werden. Das persönliche Schicksal einzelner steht hierbei im Vordergrund, Weimarer Republik und Drittes Reich werden hierdurch exemplarisch reflektiert und im Mikrokosmos einer Kleinstadt noch deutlicher sichtbar.

So werden am Beispiel des in Neumarkt geborenen Schriftstellers Dietrich Eckart – er gehörte zu den Wegbereitern Hitlers und galt später als einer der glorifizierten Helden der Nationalsozialisten – die Gefahren deutlich, von denen Republik und Demokratie durch rechtskonservative Kreise bedroht waren. Aber auch angesehene Repräsentanten des öffentlichen Lebens sahen sich während des Dritten Reiches mit erheblichen Repressalien konfrontiert, wie etwa der Realschulleiter Egid Ruhl, der aufgrund anonymer Anschuldigungen aus Kreisen der Elternschaft eingeschüchtert und gezwungen wurde, sich den Prinzipien der nationalsozialistischen Schulpolitik anzupassen.

Ein wichtiges Anliegen der Ausstellung sei es auch, an die vielen Opfer des verbrecherischen Regimes zu erinnern, hieß es. Stellvertretend wurde hier Dr. Magnus Weinberg genannt, der als Rabbiner der israelitischen Gemeinde Sulzbürg-Neumarkt von 1895 bis 1931 wirkte und wichtige Beiträge zur Stadtgeschichte vorlegte. Trotz seiner Verdienste wurde er deportiert und 1943 im KZ Theresienstadt ermordet.

In Ergänzung zur herkömmlichen Ausstellungspräsentation von Texttafeln, Objekt und Begleitkatalog, werden mobile Hörstationen (i-pods) eingesetzt, um die Einzelschicksale auch "zu Wort kommen" zu lassen. Dadurch sollen vor allem auch für Jugendliche individuelle Lebenswege und Entscheidungen im Dritten Reich erlebbar und nachvollziehbar gemacht "und einem vorschnellen Urteil vorgebeugt werden", hieß es.
29.01.08
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