Beerdigung "erster Klasse"


Gedränge im völlig überfüllten Sitzungssaal.

NEUMARKT. In der letzten Stadtratssitzung vor den Wahlen erhielten die Pläne für eine Neumarkter Ostumgehung ein Begräbnis erster Klasse.

Beinahe alle Stadträte folgten einmütig dem Beschluß-Vorschlag von Oberbürgermeister Thomas Thumann, von allen Plänen für eine solche Straße Abstand zu nehmen. Und auch die vier Gegenstimmen - SPD-Stadtrat Karl-Heinz Brandenburger und die drei FLitZ-Stadträte - waren eigentlich keine Gegner dieses Beschlusses - im Gegenteil: sie wollten noch weiter gehen und zusätzlich einen Verzicht auf einen Autobahnanschluß Frickenhofen ausrufen.

Die Entscheidung im völlig überfüllten Sitzungssaal kam nicht überraschend, nachdem am Sonntag innerhalb weniger Stunden sowohl Sprecher der SPD wie auch der CSU siganlisiert hatten, daß nach dem Studium der Gutachten eine Ostumgehung "gestorben" sei (wir berichteten). Trotzdem kam es - in der letzten Sitzung vor der Wahl kaum verwunderlich - zu Geplänkel zwischen den Fraktionen: Vor allem der CSU wurde vorgeworfen, zu hartnäckig die Pläne einer Ostumgehung verfolgt zu haben. Deren Vertreter wehrten sich tapfer mit dem Hinweise, daß erst ein professionelles Gutachten wirkliche Klarheit gebracht habe.


Selbst Stehplätze waren rar...
Und das Gutachten war in seiner Schlichtheit eindeutig: Gleich drei Fachleute erläuterten den Stadträten ihre Erkenntnisse über die drei verschiedenen Varianten mit wiederum drei Untervarianten, die für die Ostumgehung ins Autge gefaßt wurden. Unterm Strich blieb als einzig leidlich positiver Punkt, daß die Straße "technisch machbar" sei. Um aber Menschen und Natur und vor allem das Grundwasser - alle Varianten hätten die zwei Schutzgebiete "Miss" und Fuchsberg berührt oder gar durchquert - ausreichend zu schützen, wäre ein riesiger Aufwand nötig gewesen, der - so die Meinung der Gutachter und schließlich auch der Stadträte - nicht vertretbar sei.

Die Mitglieder des Vereins der Freunde des Lengenbachtals und zahlreiche andere interessierte Bürger hörten es mit offensichtlicher Freude - auch wenn sich OB Thumann den verschiedentlich aufbrandenden Applaus entschieden verbat.Schon lange vor Beginn der Sitzung war kein Sitzplatz mehr zu bekommen; die meisten Zuhörermußten die Sitzung stehend verfolgen.

Den Stadträte wurde ihr Beschluß leicht gemacht: Denn die Ostumgehung hätte wohl nicht nur Natur und Grundwasser in Gefahr gebracht und Riesensummen verschlungen - sie hätte den Neumarkter Verkerhsplanern und den Autofahrern auch kaum genutzt. Die Verkehrsprognosen für die Jahre 2020 bis 2025, durchgerechnet nach den verschiedenen Trassen-Varianten und der "Null-Variante", erbrachten kaum Verkehrsentlastung bei einer Ostumgehung. Bei einem Verzicht auf die Umgehung wurde sogar für manche bestehende Neumarkter Straße verblüffenderweise ein geringeres Verkehrsaufkommen vorhergesagt...

CSU-Fraktionssprecher Ferdinand Ernst kündigte die Unterstützung seiner Fraktion beim Ausstieg aus der Ostumgehung an und verteidigte das bisherige Festhalten an den Plänen: "Jetzt haben wir belastbares Zahlenmaterial; jetzt können wir auch entscheiden!" Seine Partei hatte im Jahr 2006 das Verkehrsgutachten angeregt. Jetzt wisse man, daß die Entlasung der bestehenden Neumarkter Straßen durch eine Ostumgehung gering sei und das vor allem der Trinkwasserschutz erhebliche Kosten verursachen würde. Ernst: "Jetzt sind die Zeiten der ASpekulationen vorbei".

So leicht kam die CSU aber dann doch nicht davon: Man müsse doch ein bißchen "die Historie bemühen", meinte SPD-Stadträtin Gertrud Heßlinger. Selbstverständlich sei auch damals schon bekannt gewesen, daß eine Ostumgehung erhebliche Gefährdungen für Mensch und Umwelt bringen würde - "das hat man vorher schon gewußt, und trotzdem wollte die Mehrheitfraktion die Umgehung so vehement!"

Sie und die SPD wollten noch deutlich weiter gehen und schlugen vor, daß der Stadtrat neben der Ostumgehung auch gleich seine Abkehr von einer geplanten Autobahnausfahrt bei Frickenhofen dokumentiert. Statt dem dort entstehenden Gewerbegebiet solle man sich in Neumarkt lieber darum kümmern, die bestehenden Gebiete auszuweiten. Und der Bund sei sicher auch nicht unglücklich, wenn aus Neumarkt ein Signal zum Ausfahrt-Verzicht käme:" Der spart dann auch ein paar Millionen!"

Karl-heinz Brandenburger (SPD) wurde noch deutlicher: Mit Blick auf Nachbargemeinden - hier wohl insbesondere Deining - sagte er: "Warum sollen wir für die anderen die Kartoffeln aus dem Feuer holen!"

Erwartungsgemäß klarer Verfechter einer Abkehr von einer Ostumgehung war FLitZ-Sprecher Johann Gloßner, der sich darüber freute, daß "die lange Leitung der CSU jetzt beendet" wurde. "Selbstverständlich" sei es schon vor Jahren klar gewesen, daß eine solche Straße "extreme Auswirkungen auf Leute und Natur" habe, sagte Gloßner. Er witterte aber in der von OB Thumann vorgeschlagenen Beschluß-Vorlage ein "Hintertürchen" und wollte den Beschluß auf einen Satz begrenzt wissen.

OB Thumann widersprach dieser Spekualtion entschieden: So lange er auf dem OB-Stuhl in Neumarkt sitze, werde es keine neuen Planungen für eine Ostumgehung mehr geben, sagte Thumann unter dem Beifall zahlreicher Zuschauer.

Auch FLitZ-Stadtrat Gloßner befürwortete einen weitergehenderen Beschluß des Stadtrates in Richtung Abschied von einer Autobahnausfahrt Frickenhofen. Man könne ja erklären, die Stadt bestehe nicht auf eine Ausfahrt, stelle sich ihr aber auch nicht in den Weg, schlug Gloßner vor.

UPW-Fraktions-Chef Dr. Werner Mümmler erinnerte an die vielen Menschen, die jahrelang in Ängsten und Sorge lebten, daß ihnen die Ostumgehung vor die Nase gepflanzt wird. Sogar eine Bürgerinitiative mußten sie gründen, um sich gegen die Pläne zu wehren - nur weil seinerzeit der Oberbürgermeister (der damals natürlich noch Alois Karl hieß, beeilte sich Mümmler zu ergänzen) einfach "einen Strich" in die Karte "reingemacht" habe. Und dies, obwohl es auch damals schon entsprechende Gutachten gab.

Mümmler lobte den Oberbürgermeister (diesmal den amtierenden), der bei den Überlegungen zu Frickenhofen und Ostumgehung erstmals auch die "Nullvariante ins Spiel gebrach thabe.

"Nullvariante" - diesen Ausruck wolle er übrigens nicht mehr benutzten, sagte OB Thomas Thumann: "Das klingt, als wenn gar nichts passiert". Dabei wollte man durchaus bei einer Verwirklichung des Autobahnanschlusses Frickenhofen das bestehende Straßennetz entsprechend ausbauen.
12.02.08
Neumarkt: Beerdigung "erster Klasse"
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