Roßmarkt: das Eis schmolz...


Es waren wohl wieder an die 15.000, die es zum Rossmarkt nach Berching zog, um den Worten des Bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (links neben Bürgermeister Ludwig Eisenreich) zu lauschen.
Fotos: Erich Zwick

Die Anspannung um die Listenreihung für die kommende Euro-
pawahl ist „Schnee von gestern“. Ein erleichterter Kandidat auf
Platz 5 – MdEP Albert Deß – neben seinem Parteivorsitzenden
Horst Seehofer.


Auf der streng bewachten Rednertribüne in der ersten Reihe:
Landrat Albert Löhner, MdB Alois Karl, MdL Albert Füracker,
Bürgermeister Ludwig Eisenreich, Ministerpräsident Horst See-
hofer und MdEP Albert Deß.


Bayerns Landesvater trägt sich in das Goldene Buch der Stadt
Berching ein.


"Alles Glück der Erde" findet diese junge Rossmarkt-Besucherin
nicht in der Politik, sondern entspannt auf dem Rücken eines
Pferdes.
NEUMARKT. Der Applaus, mit dem Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer von den rund 15.000 Besuchern des Berchinger Rossmarktes empfangen wurde, war recht "dünn" und frostig.

Aber nach seiner gut halbstündiger freier Rede, in der er den demonstrierenden Fachärzten und den nicht minder verbitterten Milchbauern (wir berichteten bereits kurz) einige Hoffnungen machte, schien das Eis geschmolzen. Freundlich klatschend verabschiedeten ihn die Besucher des einzigen "Wintervolksfestes" nach einem Abstecher zu den etwa 125 prächtig herausgeputzten Rössern in die bayerische Landeshauptstadt, wo er eine Kabinettsitzung zu leiten hatte.

Zuvor hatte er dem Kloster Plankstetten einen Höflichkeitesbesuch abgestattet, wo ihm die Mönche "keine Buße auferlegt hätten, sondern für ihn beten wollten". Mit diesem himmlischen Beistand im Rücken stand er getrost den vielen Spruchbändern gegenüber – so viel wie noch nie, wie Landrat Albert Löhner bilanzierte.

Aber selbst ohne Gebete und bei einem etwas bescheidenerem Polizeiaufgebot hätte niemand von "seinen braven Oberpfälzern" dem Landesvater auch nur ein Haar gekrümmt, obwohl er schon einige Anfeindungen durchzustehen gehabt hätte. Er erinnerte an seine "politische Verbannung" vor zwei Jahren – "Sie wissen ja wieso", fügte er augenzwinkernd hinzu – und an die latente "Umzingelung durch politische Freunde". Und seit dem ersten Tag seiner Amtsübernahme sehe er sich mit Problemen konfrontiert, wobei er einen Zwischenrufer parierte: "Die F.D.P. gehört nicht dazu."

Berchings Bürgermeister Ludwig Eisenreich, der zum ersten Mal Gastgeber des Rossmarktes war, hatte zuvor den Bayerischen Ministerpräsidenten willkommen geheißen. Auf der Rednertribüne gaben die lokalen Mandatsträger dem hohen Besuch die Ehre, allen voran der "Anwalt" seiner bäuerlichen Berufskollegen im Europaparlament, der Abgeordnete Albert Deß. Mit seinem hart erkämpften fünften Platz auf der CSU-Liste kann er seine Arbeit in Brüssel und Straßburg erfolgreich fortführen, vorausgesetzt die CSU schafft die bundesweite Fünfprozenthürde - woran aber niemand ernsthaft zweifelt.

Mit Albert Deß in der ersten Reihe: Bundestagsabgeordneter Alois Karl, Landtagsabgeordneter Albert Füracker, Landrat Albert Löhner; in der zweiten Reihe Stellvertretender Landrat Willibald Gailler und Neumarkts Oberbürgermeister Thomas Thumann als Mitglied des "Netzwerkes nachhaltige Bürgerkommune".

Die in dem Netzwerk zusammengeschlossenen 40 Gemeinden und Regionen aus ganz Bayern ließen von den Bürgermeistern Albert Höchstetter (Barbing) und Hans Wiesmaier (Frauenberg) die so genannte "Plankstettener Erklärung" an Ministerpräsident Horst Seehofer übergeben, in der die Bürgermeister mehr staatliche Unterstützung zur Förderung des Bürgerengagements und der Bürgerbeteiligung in den Gemeinden einfordern.

Aus dem Landkreis Neumarkt gehören dem Netzwerk die Städte Dietfurt, Neumarkt und Velburg sowie die "Modellregion Landkreis Neumarkt – Umweltcluster" an. Noch ehe der Ministerpräsident den Inhalt der Erklärung kannte, sprach er sich für eine stärkere Bürgerbeteiligung und für eine "Entbürokratisierung" aus; denn "sonst bekommen wir das Land nicht in Schwung."

Für "Schwung" sorgte erst einmal Landrat Albert Löhner, der sich in die Rolle des "Stimmungsmachers" gedrängt fühlte. "Sie wollen nicht den Landrat hören, sondern ein wahres Zugpferd", womit er den Ministerpräsidenten meinte. Dieser wunderte sich über die Stimmgewalt seines Vorredners, "aber das erklärt seine über 70 Prozent der Stimmen bei den Wahlen", scherzte der Ingolstädter, der mehrfach seine räumliche Nähe zu Berching und zur Oberpfalz in den Vordergrund rückte. "Im Sommer", so kokettierte er am Schluß seiner Rede, werde er sich "maskiert" auf sein Motorrad schwingen, durch die Juratäler brausen und bei der Einkehr inkognito zuhören, was die Leute so über ihn reden.

Aber zunächst sprach einmal er, und die anderen – vor allem die Demonstranten – sollten zuhören. Die Ärzte erinnerte er daran, dass aufgrund seiner Initiative für die Mediziner fast drei Milliarden zusätzlich nach Bayern geflossen seien. Die Verteilung der Gelder obliege der Standesvertretung der Ärzte "und da sollten Sie aufpassen, dass es bei Ihnen ankommt und nicht in der Bürokratie versickert."

Den gebeutelten Landwirten versprach er, die "Agrardieselbeihilfen" auch gegen Widerstände aus dem Bund durchzuboxen. "Wenn Berlin nicht mitzieht, werden wir eigenständig handeln – das verspreche ich Ihnen", rief er unter zögerlichem Beifall aus.

Damit aber keine allzu große Euphorie aufkam, dämpfte der Ministerpräsident die Erwartungen: "Wir stehen am Anfang eines Jahres der Ungewissheit – ein Jahr, wie es Deutschland nach dem Krieg noch nicht erlebt hat."

Eine Ungewissheit wollte er aber für sich nicht gelten lassen, ehe er sich in das Goldene Buch der Stadt Berching eintrug. In den letzten drei Jahren hätte die Person des Ministerpräsidenten dreimal gewechselt. Von diesem "Rotationsprinzip" will er abkommen und zu einem der nächsten Rossmärkte wiederin gleicher Funktion eingeladen werden.
Erich Zwick


Am Ende seiner geschliffenen Rede aus dem Stegreif erhielt Ministerpräsident Horst Seehofer artigen und höflichen Applaus.
04.02.09
Neumarkt: Roßmarkt: das Eis schmolz...
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