Promille vorgegaukelt
Mit "Rauschbrillen" wurden den Schülern die Auswirkungen von zu viel Alkohol nahe gebracht
NEUMARKT. Wie sieht ein Besoffener die Welt ? Diese Frage können jetzt Deininger Schüler beantworten - und das ohne einen Tropfen Alkohol.
An der Grundschule und Mittelschule Deining wurde ein
Workshop "Jugend und Alkohol" durchgeführt. Schüler sammelten dabei Erfahrungen im "fiktiven Rausch".
"Das gibt’s doch nicht! Grad eben war es nur eine einzige Linie, jetzt sind es zwei" – Thomas ist irritiert und traut seinen Augen nicht. Der 14jährige Schüler testet gerade eine "Rauschbrille". Und genauso erging es auch allen anderen Schülern der siebten, achten und neunten Klasse, die an der Veranstaltung an der Grundschule und Mittelschule in Deining teilgenommen haben.
"Diese Rauschbrille täuscht einen Promillegehalt von 0,8 Prozent vor", erklärt Diplom-Sozialpädagogin Siglinde Seidler-Rieß aus Bayreuth, die den
Workshop an der Schule durchführte. Die Schüler hatten dabei eine Menge Erfahrungen gemacht: man hat alles doppelt gesehen, alles war verschwommen, die Linie war plötzlich krumm, man hat keine Kontrolle mehr über sich selbst und die eigene Einschätzung war ganz anders – so lauteten die aufgeregten Reaktionen.
In dem Test sollten die Schüler außerdem ein Geldstück aufheben, zwischen Hindernis-Hütchen durchgehen und versuchen, mit dem
Bobby-Car durchzufahren – und hatten große Probleme damit. "Die Hütchen haben sich bewegt und die Münze lag plötzlich doppelt da", darin waren sich alle einig.
"Ihr habt den Vorteil, die Brille wieder abnehmen zu können. Doch wenn man betrunken ist, geht das nicht", machte Siglinde Seidler-Rieß deutlich.
Bei einem Betrunkenen geht der Orientierungssinn verloren, die Psyche ist belastet und Aggressionen treten auf bis hin zum völligen Kontrollverlust über sich selbst. Schon ein Baby mit sechs Monaten könne eine Münze aufheben – diese Feinmotorik sei beim Betrunkenen verschwunden, sagte Seidler-Rieß. Starker Alkoholkonsum könne bis zur Bewusstlosigkeit und dem Fall ins Koma führen.
Was würdest du tun, wenn dein Freund plötzlich völlig betrunken am Boden liegt? Ist es einfach, "nein" zu sagen und nicht mitzutrinken? Kann ich mit Alkohol für bessere Stimmung sorgen? Wann habe ich schon mal Alkohol abgelehnt? Warum wird überhaupt Alkohol getrunken? Diese und noch viele weitere Fragen diskutierte Siglinde Seidler-Rieß mit den Schülern diskutiert.
Auch die Folgen für die Gesundheit würden unterschätzt. "Jeder Rausch vernichtet 100.000 Gehirnzellen", verdeutlicht die Referentin, "und die wachsen nicht mehr nach". Auch das Alter spiele eine sehr große Rolle. Je früher man mit Alkohol in Berührung komme, umso höher sei die Suchtgefahr und desto mehr werde der Körper geschädigt.
Schüler nehmen das oft auf die leichte Schulter. "Zehn Prozent aller Jugendlichen haben den ersten Rausch mit zwölf Jahren – eine traurige Statistik", sagte Seidler-Rieß. Früher habe es Unterschiede im Trinken zwischen Mädchen und Jungen gegeben. Inzwischen werden genauso viele Mädchen wie Jungen mit Vollrausch in die Kliniken eingeliefert.
Für Direktorin Maria Stautner ist es wichtig, sowohl Schüler wie auch Eltern und alle, die für Jugendliche Verantwortung tragen, in die Pflicht zu nehmen und für dieses Thema zu sensibilisieren. Wegschauen oder gar das Thema Alkohol zu verharmlosen, helfe nicht weiter. Deshalb waren bei dem Abend auch alle Eltern, Vereinsvorsitzende, Elternbeiräte, Jugendbeauftragen und alle Verantwortlichen der Gemeinde zu dem Vortrag eingeladen.
26.01.11
Neumarkt: Promille vorgegaukelt