Gedenktag der Reformation

Von Pfarrer Peter Loos

Besser, schneller, klüger, das ist im Bewusstsein und in der Erfahrung vieler Zeitgenossen das Gebot der Stunde. Leistungssteigerung ist angesagt. Es wäre sicher wichtig und heilsam einmal in einer Studie herauszufinden, wie viele Menschen in Schule und Arbeitswelt ohne Doping die Leistung, die von ihnen verlangt wird, gar nicht mehr bringen können.

Hinter der Verkürzung der Gymnasialzeit steckt der Gedanke, dass die jungen Menschen nun noch schneller als Leistungsträger unserer Gesellschaft zugeführt werden. Die junge und tüchtige Mitarbeiterin eines Betriebes hält es nicht mehr aus, dass der Vorgesetzte ihr vorhält, sie bringe zu wenig Leistung und sucht deshalb Trost im Alkohol. Nicht wenige Jugendliche meinen vor ihren Altersgenossen nur deshalb bestehen zu können, wenn sie trendig gekleidet sind. "Mein Haus, mein Auto, mein Boot.." , wer mit dieser Selbst- und Erfolgspräsentation aus der Werbung bei einem Klassentreffen nicht auftrumpfen kann, traut sich schon gar nicht mehr hinzugehen.

Die Krankenkassen rechnen die Zuwendung zum pflegebedürftigen Menschen im Halbminutentakt ab. Nur wer es sich finanziell leisten kann, darf auch noch ein wenig menschliche Zuwendung dazu buchen.

Am Gedenktag der Reformation steht für Christen das Thema Rechtfertigung im Mittelpunkt. Luthers Frage: Wie bekomme ich einen gnädigen Gott? ist heute nicht mehr die Frage, welche Menschen bewegt. Doch genau dort, wo die Verantwortung vor Gott und das Gespräch mit Gott ausgewandert ist, gibt es auch keine Gnade mehr. Wer nichts mehr leistet oder nichts leisten kann, fällt in Ungnade. Dort, wo der Gott, den uns Jesus Christus nahe gebracht hat, von den modernen Göttern der Leistung verdrängt wird, da bricht wieder ganz neu die Frage auf: Wie kann ich als Mensch überhaupt noch bestehen? Die modernen Leistungsgötter unserer Zeit sind noch unbarmherziger als das strafende Gottesbild mit dem Luther aufgewachsen ist.

So betrachtet sind der Mensch Martin Luther in seiner Zeit und der moderne Mensch heute eigentlich gar nicht weit voneinander entfernt. Beide fragten und suchen nach Gnade und Barmherzigkeit. Da hinein ist Luthers reformatorische Entdeckung die wirkliche erlösende Nachricht. Gott sagt uns: Du Mensch bist vor mir recht und du hast eine Würde, die dir niemand nehmen kann. Vor mir kannst du ohne jede Erfolgspräsentation bestehen.

Gottes Gerechtigkeit ist das Gegenteil unserer Leistungsgerechgkeit. Im Vertrauen auf ihn bekomme ich eine Freiheit vom Erfolgsdruck, eine Freiheit zum Lassen und Loslassen, die Freiheit zu einer "Ethik des Genug". Eine gerechte Welt ohne diese Entdeckung von Gottes Gerechtigkeit wird es nicht geben.
28.10.11
Neumarkt: Gedenktag der Reformation
Telefon Redaktion


Telefon Redaktion


neumarktonline - die Internet-Tageszeitung. Aktuelle Berichte, Meldungen und News aus Neumarkt in der Oberpfalz im Internet
ISSN 1614-2853
21. Jahrgang
Zur Titelseite neumarktonline
ISSN 1614-2853
21. Jahrgang
neumarktonline - die Internet-Tageszeitung. Aktuelle Berichte, Meldungen und News aus Neumarkt in der Oberpfalz im Internet
ISSN 1614-2853
18. Jahrgang