"Gedanken zur Weihnacht"

Von Monsignore Richard Distler, Dekan

Neulich erzählte mir ein junger Mann, er sei lange Zeit ungläubig gewesen und habe als Techniker nur auf die Wissenschaft und den Fortschritt gesetzt. Doch dann sei es in seinem Leben zu einer Kurskorrektur gekommen. Den Anstoss gab die Geburt seiner kleinen Tochter.

Als er sie zum ersten Mal in Händen hielt, sei ein Ruck durch seine Seele gegangen. Er konnte gar nicht genug staunen, was ihm und seiner Frau da geschenkt wurde. Zuvor habe er nur die Arbeit gekannt und doch sei sein Inneres total zerrissen gewesen. Plötzlich aber habe er gespürt: Es gibt auch noch die andere Welt, die nicht bloß aus dem Hetzen und Rennen, aus dem Rechnen und Berechnen bestehe, sondern aus dem, was Gnade und Geschenk ist.

Gnade und Geschenk? Aber was ist das für eine Welt? Es ist die Welt der wirklichen Weihnacht, die Welt des Glaubens, die Welt der Solidarität, der Achtsamkeit, der Zuwendung, der Liebe und der Fürsorge. Und nicht zuletzt die Welt des Staunens über das Wunder des Lebens. Immer wieder höre ich es in Taufgesprächen: Die Geburt unseres Kindes hat unsere Familie verändert.

Auch an Weihnachten geht es um die Geburt eines Kindes. Aber wird diese Geburt uns verändern? Wird es da zu einer Kurskorrektur oder Wende kommen wie bei diesem jungen Vater? Eine Chance dazu sind die Weihnachtsfeiertage und der Jahreswechsel. Da kann uns eine Zeit geschenkt werden, wo wir innehalten und die Stille suchen, in der vor allem Gott handelt.

War es nicht gerade jene stille, heilige Nacht vor 2000 Jahren, wo Gott sich bemerkbar gemacht hat? War es nicht jene stille, heilige Nacht, wo sich der Himmel aufgetan hat, die Welt Gottes in unsere Welt eingebrochen ist mit der unglaublichen Botschaft: "Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren worden!" Wie aber können wir uns dieser anderen Welt öffnen? Vielleicht dadurch, dass wir diese Feiertage nützen, um in die Stille zu gehen, die inneren Sinne zu schärfen, das Herz für Gott und den Nächsten zu öffnen, den Sinn des Gewissens zu entdecken, das Staunen wieder zu lernen, den Sinn für das Heilige und Ewige zu entdecken und so für Gott wieder hörfähig zu werden.

Wer diese andere Welt wieder entdeckt so wie dieser Techniker und junge Vater, für den kann Weihnachten zu einer Kurskorrektur, zu einer Wende werden.

Joseph Kardinal Ratzinger schreibt einmal: "Von den Dinosauriern wird gesagt, sie seien ausgestorben, weil sie sich falsch entwickelt hätten: Viel Panzer und wenig Hirn, viele Muskeln und wenig Verstand". Sind wir nicht auch nah daran, uns falsch zu entwickeln? Modernste Kommunikationssysteme, Handy, I-Phone und Face-Book und doch wenig Austausch des Herzens, viel Technik, aber wenig Seele, ein dicker Panzer technischen Könnens, aber viele ausgebrannte Seelen und leergewordene Herzen.

Ist in uns noch ein Resonanzboden für die Stimme Gottes, für das Staunen über das Wunder des Lebens, für das Gute, das Schöne, das Wahre und das Einfache, wie es Kinder noch in sich tragen? Ist es nicht höchste Zeit für eine Kurskorrektur unserer einseitig ausgerichteten Evolution? Damit ist absout nicht die Absage an unsere wirtschaftlich-technische Zivilisation gemeint. Wir brauchen sie zum Leben und Überleben. Aber sich davon nicht voll in Beschlag nehmen und unsere Seelen nicht aushungern lassen.

Das wäre schon der erste Schritt, der Anfang der weihnachtlichen Wende. Immer wieder innerlich auftanken, unser Leben ins Licht Gottes stellen, sich nicht von den Zwängen des Alltags beherrschen lassen, sondern sich Freiräume schaffen, um Mensch zu bleiben. Solche Freiräume schenken uns die Feiertage, die Sonntage, die Gottesdienste, das Gebet oder auch schon eine besinnliche Stunde in den eigenen vier Wänden. Wieder die inneren Antennen ausfahren für die Welt des Glaubens und der Gnade, das heißt, dass eben nicht alles machbar ist, sondern Vieles im Leben Geschenk ist.

Ähnlich wie dieser junge Vater das Leben seiner kleinen Tochter als Geschenk und Gnade erfahren hat. Ob es da auch bei uns zu einem inneren Ruck, zu einer echten weihnachtlichen Wende kommt? Ich möchte es jedem ganz persönlich wünschen. Ihnen allen ein gesegnetes Weihnachtsfest!
Von Dekan Dr. Norbert Dennerlein


Liebe Leserinnen, liebe Leser,

die Krippe im Stall von Bethlehem in der Heiligen Nacht und das Kreuz auf Golgatha an Karfreitag sind aus dem gleichen Material angefertigt: aus Holz. Holz stammt von einem Baum. Ein Baum ist Symbol für das Leben. Das ist kein Zufall!

Krippe und Kreuz gehören zusammen. Weihnachten und Karfreitag gehören zusammen. Was an Weihnachten beginnt, führt hin zu Karfreitag. Das neugeborene Baby in der Krippe wird an Karfreitag als junger Mann am Kreuz sterben – als Hoffnung für unsere Welt. Denn über dem Kreuz von Golgatha leuchtet bereits ein Lichtstrahl des Ostermorgens. Das in der Advents- und Weihnachtszeit aus dem Blick zu verlieren, würde bedeuten einer verkitschten, versüßlichten Romantik auf den Leim zu gehen, die den eigentlichen Sinn von Weihnachten aus dem Blick verliert.

"Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge." Mitten in der Nacht in einem schäbigen Stall wird Jesus geboren. Nicht in einem tollen Haus oder gar Königspalast. In einem schäbigen Stall. Denn als sie nach der Überlieferung zur Volkszählung nach Bethlehem kamen, der Stadt, aus der die Familie Josefs stammte, die Familie des Königs David, war kein Zimmer mehr frei. Und wenn eines frei gewesen wäre, kann man ziemlich sicher davon ausgehen, dass die beiden es auch nicht bekommen hätten. Diese ärmlich gekleideten Fremden. Die in der Nacht um eine Unterkunft bettelten. Wer konnte denen schon trauen? Wenn Maria und Josef heute bei uns an den Haustüren klingeln würden, würde es ihnen anders ergehen als vor 2000 Jahren?

Der große Gott ist sich nicht zu schade, den Menschen in dieser Welt in einem kleinen, unscheinbaren Baby nahe zu kommen. Unter völlig unerwarteten Umständen. An einem völlig unerwarteten Ort. Zu einer unerwarteten Zeit: Mitten in der Nacht. Nicht am hellen Tag. Auch das ist kein Zufall! Nacht, Dunkelheit stehen für Bedrohung, Angst. Stehen im übertragenen Sinn für die dunklen Phasen im Leben eines Menschen. Auch in unserem eigenen Leben.

Ich habe in den letzten beiden Jahrzehnten viele Trauerfeiern gehalten - beim Beerdigungsgespräch von den vielen dunklen, schweren Zeiten im Leben von Menschen erzählt bekommen. In der Zeit des Krieges. In der Gefangenschaft. Und danach. Mitten in der Dunkelheit der Nacht kommt Gott in einem unscheinbaren Kind in die Dunkelheit der Welt und liefert sich aus. Macht sich verletzbar. Erleidet selbst die Dunkelheit mit ihren Ängsten und Gefährdungen. Bis hin zum Tod am Kreuz. Ausgeliefert durch Menschen, denen seine Art, Gott zu verstehen, nicht gefallen hat. Auch das wäre heute nicht anders.

Ich bin mir sicher, wenn Jesus heute wiederkäme, würden Verantwortliche, die um ihre eigenen Vorteile bangen, alles versuchen, ihn loszuwerden. Gott als den Gott der Liebe zu verstehen und zu verkündigen, einen Gott, der sich nicht damit abfindet, dass Menschen, aus welchen Gründen auch immer, benachteiligt, gedemütigt, verraten, an den Rand gedrängt werden, ein solcher Gott passt einfach nicht in die Machtspiele dieser Welt. Einer Welt, in der in der Regel anderes mehr zählt als der einzelne Mensch.

Wir haben Weihnachten vielfach verkitscht, verharmlost, weil das eigentliche Geschehen zu radikal, zu unbequem wäre. Fakt ist: Weihnachten und Karfreitag sind sichtbare Zeichen für das radikale Nein Gottes zur Dunkelheit in dieser Welt – Gottes Nein zu Hass und Gewalt, zu Missgunst und Ausbeutung von Menschen, zur Zerstörung der guten Schöpfung unseres Gottes. Der von Gott gewählte Weg beginnt an Weihnachten und landet am Kreuz. Der Weg, für die Schwachen Partei zu ergreifen, für ihre Rechte zu kämpfen, führt auch heute schnell ins Abseits. Aber es ist der Weg Gottes. Und deshalb hat auch unser Platz an der Seite der Schwachen, der vom Leben Benachteiligten zu sein.

Wie der Baum, aus dessen Holz die Krippe und das Kreuz angefertigt wurden, für das Leben steht, stehen Weihnachten und Karfreitag für das Leben. Für das Leben, das Gott will – ein Leben in Würde und Gerechtigkeit für alle Menschen.

Für dieses Leben in Würde setzen sich die Kirchen ein. Für dieses Leben setzen sich Caritas, Diakonie und andere Wohlfahrtsverbände ein, dem Willen des menschenfreundlichen und liebenden Gottes entsprechend. Wo dies geschieht, wird es Weihnachten. In den Herzen der Menschen. In unserer Welt. Da scheint bereits jetzt etwas auf von der Herrlichkeit unseres Gottes, die eines Tages in vollem Glanz sichtbar werden wird. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und Ihren Lieben ein fröhliches Weihnachtsfest und ein in jeder Hinsicht gesegnetes Jahr 2012.
23.12.11
Neumarkt: "Gedanken zur Weihnacht"
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