"Spiel mit dem Feuer" im Gerichtssaal

Die Jugendkammer des Landgerichts - in der Mitte Vorsitzender Richter Helmut von Ciriacy-Wantrup - testet, wie leicht oder schwer sich ein Papiertaschentuch mit einer Zigarettenglut in Brand setzen läßt. Links der Sachverständige des Bayerischen Landeskriminalamtes.
Foto: Erich Zwick
NEUMARKT. "Brennt ganz gut, Frau T.", stellte der Vorsitzende Richter der Jugendstrafkammer des Landgerichts, Helmut von Ciriacy, schnippisch-vorwurfsvoll fest, als ein außergewöhnlicher Test im Sitzungsaal 619 ablief.

Hier müsssen sich seit dem 25. Juni vier Angeklagte des gemeinschaftlichen Mordes und der Beihilfe verantworten - unter ihnen ein 30jähriger Neumarkter. Ihnen wird vorgeworfen, in Altdorf einen Obdachlosen angezündet zu haben. Der Mann starb qualvoll (wir berichteten mehrmals).

In einem kupfernen Kessel führte ein Sachverständiger des Bayerischen Landeskriminalamtes vor, wie einfache Papiertaschentücher und alkoholgetränkte Sakrotantücher entflammbar sind.

Während ein Tempo-Taschentuch mit einer brennenden Zigarette nicht zum Lodern zu bringen war, schoß aus dem Sakrotantuch eine 30 bis 50 Zentimeter hohe Stichflamme. Und diese Tücher stammen vermutlich aus dem Besitz der jetzt 18jährigen Jana T. Sie sollen das alkoholisierte Opfer auf einer Parkbank am Altdorfer Ankerweiher in eine brennende Fackel verwandelt haben.

Während des Experiments wurde die "aus schwierigen familiären Verhältnissen" stammende Angeklagte blass und blässer. Hatte sie doch am Vortag eine niederschmetternde Einschätzung einer Zeugin kaum berührt, die sie als "falsche Schlange" brandmarkte. Was mußte wohl jetzt beim harmlosen Aschenbecher-Test in ihr vorgegangen sein?

In welchem Milieu sich die grauenvolle Tat im November 2002 abspielte, erhellte der Gerichtsmediziner. Der dem Flammentod zum Opfer gefallene 53-jährige Zygunt R. hatte 4,60 Promille intus - ein Alkoholspiegel, der anderen "ungeübten" Trinkern den Tod bringt; der Mitangeklagte Hans L. brachte es auf 2,04 Promille, während Jana T. offenbar als einzige nichts getrunken hatte.

Ein weiterer Gutachter, der bei der Obduktion zugegen war, attestierte dem zu Tode Geschundenen Verbrennungen Dritten Grades im Brust-Bauch-Bereich. 44 Prozent der Körper-Oberfläche waren verbrannt.


Ausführlich beschäftigte sich der LKA-Sachverständige mit den "Brandbeschleunigern". Während das Deo-Spray, mit dem die Angeklagte Jana T. ihr Opfer einsprühte, kaum zum Entstehen des mörderischen Feuers beigetragen hat, waren es die Sakrotantücher um so heftiger. Einer dieser Lappen enthält immerhin 1,75 Gramm Alkohol.

Bei einer Zeugenvernehmung am Vortag sah sich ein "Streetworker" aus Altdorf vorwurfsvollen Fragen des Staatsanwalts ausgesetzt: Hätte der Sozialarbeiter den Mord nicht verhindern können, indem er dem späteren Opfer in seinem Zustand geholfen hätte, etwa durch Herbeiholen der Polizei? Seine wohl mehr als dümmliche Antwort: "Das wäre vom pädagogischen Ansatz schwierig gewesen."

Die Verhandlung wird am 6. Juli fortgesetzt.
Erich Zwick


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