Pöllinger Ortsumgehung - ein "Jahrhundertwerk"

NEUMARKT-PÖLLING. Pölling hat ein "Jahrhundertbauwerk" und seinen ersten Ehrenbürger. Mit dem Titel darf sich künftig Oberbürgermeister Alois Karl schmücken.


Das Festzelt war sowohl beim Gottesdienst wie auch bei der welt-
lichen Feier voll besetzt.
Sein (inoffizieller) Ortsbürgermeister- "Kollege", Stadtrat Ernst Deinhard, verlieh ihm die Würde im Namen der dankbaren Bürger des Stadtteils aus Anlaß der Fertigstellung der Umgehungsstraße, auf die sie 76 Jahre lang gewartet haben.

Das "Nun danket alle Gott" am Schluß des von Pfarrer Albert Ott im Festzelt zelebrierten Jubel-Gottesdienstes war mehr als ein Lippenbekenntnis. Es war ein Lobpreis auf alle, die an dem "Jahrhundertwerk" mitgewirkt haben.


Der "heimliche Bürgermeister von Pölling" hat soeben Ober-
bürgermeister Alois Karl zum "Ehrenbürger von Pölling ernannt.
Mit ihm freuen sich Grundstücksbesitzer, die als erste den Weg
für die neue Trasse freimachten. Sie erhielten einen mit persön-
lichen Daten versehenen Erinnerungsteller.     Fotos: Erich Zwick
Von dem Trennenden, wofür die bald ausgediente Bundesstraße durch den Ort verantwortlich war, war schon am Sonntag keine Spur mehr zu spüren: Der Kirchenzug bewegte sich vom "Oberen Dorf" mit Kirche, Friedhof, Schule und Kindergarten hinüber zum "Unteren Dorf" mit Sportplatz, Gasthäusern, Metzgerei und Bäckerei zum Festzelt, das die Gläubigen unter Vorantritt der Pöllinger Blaskapelle und der Fahnenabordnungen bis auf den letzten (Steh-) Platz füllte.

Im besinnlichen Teil des freudigen Bürgerfestes ließ Oberbürgermeister Alois Karl das zähe, jahrzehntelange Ringen um die Umgehungsstraße Revue passieren, ehe der appetitlich duftende Ochs am Spieß die illustre Versammlung zum Mittagsmahl bat. Pölling sei schon immer ein wichtiger Verkehrspunkt gewesen, holte Alois Karl bis ins Jahr 1896 aus, als damals am 1. Mai morgens um 5.30 Uhr der erste Zug im "Bahnhof Pölling" auf seiner Jungfernfahrt stoppte.


Ministranten begleiten Pfarrer Albert Ott von der Kirche zum
Festzelt.
Mit dem Dampfross schien der Straßenverkehr bald zu wetteifern, und so blieben Unfälle in der Ortsdurchfahrt nicht aus: so jene am 13./14. Juli 1914 als ein Auto ein Mutterschwein und tags darauf ein weiteres den Hund des Gemeindehirten totfuhr. Aber es sollte noch schlimmer kommen: Am 14. August 1927 konnte ein Berliner Auto "die scharfe Kurve nicht mehr richtig nehmen und donnerte gegen einen Zaun". Von zwei Schwer- und zwei Leichtverletzten berichtet der Chronist am 21. Oktober 1928: "Ein Auto mit vier Personen aus Richtung Nürnberg stieß wegen überhöhter Geschwindigkeit an der besagten Kurve gegen das Brückengeländer, das mit seinen beiden schweren Steinpfeilern aus der Verankerung gerissen wurde."


Diese Unfälle und der rapide zunehmende Verkehr inspirierten zur Verlegung der Ortsdurchfahrt, doch alle Pläne verschwanden immer wieder in der Schublade, obwohl sich - besonders in der scharfen Kurve bei der Bäckerei Feihl - immer wieder schwere Unfälle ereigneten. So in den Siebziger Jahren mit vier jungen Leuten, die nicht überlebten, als deren Pkw gegen einen Peitschenmasten krachte.

Mit der Eröffnung der Autobahn Nürnberg - Regensburg im Jahre 1971 erhoffte man sich eine Entspannung für Pölling. Das Gegenteil trat aber ein: Wurden im Jahre 1970 "nur" 5.057 täglich gezählt, waren es 15 Jahre später schon 10.151 und 2002 gar 15.400. Innerhalb von 32 Jahren hat sich der Verkehr mehr als verdreifacht. Hätte man jetzt nicht gegengesteuert, hätte es im Jahre 2015 - so die Prognose - 19.400 Fahrzeuge gegeben.


Eine Attraktionen beim Pöllinger Bürgerfest: die Ochsenbraterei.
Vor sieben Jahren hat nun die Stadt selbst die Initiative ergriffen, nachdem die Bundesstraße zur Staatsstraße herabgestuft werden sollte und der Freistaat keine große Neigung zeigte, eine Staatsstraße um Pölling herum bauen zu wollen. Am 20. Januar 2000 legte sich der Stadtrat auf die ortsferne Variante von dreien fest, und von nun an ging es Schlag auf Schlag: am 7. Februar 2003 wurde das letzte der 63 nötigen Grundstücke von 39 Eigentümern erworben - insgesamt 250.000 Quadratmeter, davon 100.000 für die Straße selbst und der Rest für Gestaltungs- und Ausgleichsflächen.

Am 15. Oktober rollten die schweren Baumaschinen der Firma Max Bögl an und mit ihnen - wie das Stadtoberhaupt besonders lobend hervorhob - fleißige und tüchtige Mitarbeiter, die er mehrmals mit einer Brotzeit belohnte und sicherlich auch anspornte. So konnte fast auf den Tag genau die neue Umgehung fertiggestellt werden. Als Nachfolgearbeiten bleiben noch für die Jahre 2005/06 die Anbindung Pöllings mit einer Überführung der B 8 und die Anbindung Holzheims (Beckenhofer Weg).

Das "Jahrhundertwerk" hatte aber auch seinen Preis: 15 Millonen Euro, wovon dank der Einschaltung der Abgeordneten Hans Spitzner und Herbert Fischer eine Zuschußsumme von 10,5 Millionen Euro locker gemacht werden konnten. "Die 4,5 Millionen Eigenanteil der Stadt sind uns unsere Pöllinger Bürger wert", rief Alois Karl unter dem tosenden Applaus der Angesprochenen.

Die feierten dann ausgiebig auf ihrer neuen Straße mit Inline-Skate-Rennen, Blasmusik, Luftballonwettbewerb, Schauübungen der Feuerwehr und Rettungssanitäter, einer Seitenwagenvorführung von Baptist Kohlmann und einer Pflanzaktion - "jeder Pöllinger Verein setzt ein Bäumchen" -, Kletterwand, Kinderschminken und Glücksrad.

Ehe aber die neue Umgehung ihrer eigentlichen Bestimmung übergeben wird, müssen sich die Pöllinger und alle anderen Verkehrsteilnehmer noch eine Woche gedulden. Am Montag, 25. Oktober, durchschneidet der Bayerische Staatsminister des Innern, Dr. Günther Beckstein, das symbolische Band, und erst dann kann der Verkehr auf neuer Route rollen.
Erich Zwick


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