„Noch zu knabbern“

Jens Küneth und Katharina Bauereisen leiten die BRK-Heime in Neumarkt und Woffenbach
Foto: Frank Betthausen
NEUMARKT. In Alten- und Pflegeheimen im Landkreis ist nach zahlreichen Corona-Todesfällen die Nachfrage noch immer verhalten, hieß es.
Und auch die Mitarbeiter hätten nach den extrem schwierigen Wochen „noch zu knabbern“. In den Alten-und Pflegeheimen des Roten Kreuzes in Neumarkt und Woffenbach erkrankten zum Beispiel 79 Bewohner - zehn von ihnen starben.
Wie andere Heime im Landkreis waren die beiden Einrichtungen im Winter schwer betroffen. Corona habe Spuren auch „in den Köpfen“ hinterlassen, sagte der für beide Häuser zuständige Jens Küneth. Doch langsam kehre „immer mehr Normalität ein“. Küneth übernahm nun neben dem Senioren- und Pflegeheim in der Neumarkter Friedenstraße auch das Heim in Woffenbach als Leiter, teilte das Rote Kreuz mit.
Das Rote Kreuz hat die Leitung seiner Altenpflege-Einrichtungen in der Stadt neu organisiert. Der 45jährige Jens Küneth, der bereits an der Spitze des Heims in der Friedenstraße stand, hat vom Bezirksverband als Träger jetzt auch offiziell die Verantwortung für das Seniorenzentrum in der Rittershofer Straße in Woffenbach übertragen bekommen. Er hatte das Haus in dem Stadtteil Ende 2020 kommissarisch von Alexandra Endres übernommen und im Januar durch den schweren Corona-Ausbruch geführt.
Küneth zur Seite steht seit 1. April die 35jährige Katharina Bauereisen. Sie absolviert nach ihrer Rückkehr zum BRK eine Weiterbildung zur Einrichtungsleiterin und assistiert Küneth in der Führung der Häuser. Beide sind in Woffenbach aufgewachsen und stammen aus der gleichen Straße. „Wir kennen hier jeden Baum“, sagt Küneth.
In diesem Punkt macht Küneth auch den Unterschied zwischen den beiden BRK-Einrichtungen in Neumarkt aus. Während das Umfeld in der Rittershofer Straße dörflich geprägt ist und auch unter den Bewohnern jeder jeden kennt, hat das zentral gelegene Haus in der Friedenstraße eine deutlich städtischere Färbung.
Beide Einrichtungen – in Woffenbach beschäftigt das BRK 115 Mitarbeiter, in Neumarkt 75 – waren im Winter von schweren Corona-Ausbrüchen betroffen. Vor allem das Haus in der Rittershofer Straße erwischte es mit 72 erkrankten Senioren und neun Toten schwer. In Neumarkt war ein verstorbener Bewohner zu beklagen gewesen – bei sieben Infizierten.
Die Nachfrage nach Plätzen in den Alten- und Pflegeheimen ist seitdem eher verhalten, hieß es.
Aktuell sind nach Küneths Angaben in Woffenbach von 112 Betten 88 belegt. In Neumarkt sind von 83 Plätzen zwar nur sechs frei, doch auch dort hätten die „regen Anfragen früherer Jahre“ nachgelassen.
Viele Angehörige hätten derzeit Hemmungen, einen vollstationären Pflegeplatz zu buchen, weil ihre Familienmitglieder nach dem Einzug erst einmal fünf Tage in Quarantäne müssten. Und: So mancher erlebe auch immer noch die Besuchsregeln als einschränkend. Dazu kämen vermutlich auch die Kurzarbeit und der Umstand, dass manche Arbeitnehmer weniger Geld zur Verfügung hätten. „Die Leute pflegen ihre Angehörigen, das stellen wir fest, seit geraumer Zeit eher daheim“, sagt Jens Küneth.
Der Heimleiter ist nach Kräften bemüht, dem Eindruck entgegenzutreten, dass Bewohner in Seniorenheimen in Pandemie-Zeiten „weggesperrt“ seien. Gerade in den Quarantäne-Tagen biete das Rote Kreuz beispielsweise über Tablets Video-Telefonie an, um den so wichtigen Kontakt nach draußen nicht abreißen zu lassen. Und auch in der Zeit danach gebe es bei allen Vorschriften, die dem BRK vorgegeben seien, von Montag bis Sonntag immer die Gelegenheit, Angehörige in der Einrichtung zu besuchen. Für Menschen, die sonst keine andere Möglichkeit hätten, biete das Personal auch Schnelltests vor dem Heimbesuch an.
Eine Rückkehr zur Normalität sei ihr größter Wunsch und für alle das Wichtigste, sagte Katharina Bauereisen – in besonderer Weise für die Bewohner, die sich ihren Lebensabend anders vorgestellt hätten als in den zurückliegenden Monaten. „Auch wenn uns die Rückmeldungen zum Glück bestätigen, dass unsere Senioren zufrieden sind.“ Das hat sicherlich auch damit zu tun, dass nach den Corona-Ausbrüchen in beiden Häusern die Beschäftigungsangebote wieder angelaufen sind. In Woffenbach beispielsweise zählen die täglichen Ausflüge der Spazier- und Sportgruppe in den großen Park rund um das 1999 generalsanierte ehemalige Schlossgebäude dazu.
Auch der „Jahreskreis“ mit vielen alten Traditionen, die die Bewohner sehr schätzen, hat wieder begonnen. In der Friedenstraße etwa wurden fleißig Waffeln gebacken, es gab Spargelgerichte zum Start ins Frühjahr, ein Maifest ist geplant, und die Spiele- und Zeitungsgesprächsrunden in den beiden Heimen finden ebenfalls wieder statt. „Das Haus in Woffenbach ist Teil des Dorflebens“, sagte Jens Küneth. „Wir haben einen tollen Besuchsdienst, der lange Zeit nicht kommen durfte, aber längst in den Startlöchern steht.“
Für die Zukunft – und sobald es das Pandemie-Geschehen wieder erlaubt – schweben Katharina Bauereisen generationenübergreifende Projekte für die Einrichtung in ihrem Heimatstadtteil vor. Inspiriert haben sie dazu die Begegnungen, die sich ergeben, wenn Heimbewohner beim Spazierengehen auf dem nahen Spielplatz die Kinder herumtoben sehen. „Hier die Themen Alt und Jung zu verknüpfen, das ist etwas, das ich mir vorgenommen habe“, sagt sie.
13.05.21
Neumarkt: „Noch zu knabbern“