Auf „Triage“ vorbereiten
Die Kliniken auch in der Oberpfalz sollen sich auf Triage-Situationen vorbereiten, hieß es von der Regierung der Oberpfalz. Unser Foto zeigt das Klinikum Neumarkt
NEUMARKT. Die Zahl der Corona-Patienten auf der Intensiv-Station des Neumarkter Klinikums sank. Doch die Situation an den Krankenhäusern ist „dramatisch“.
Das sagte Regierungspräsident Bartelt bei einer Video-Konferenz. In einem dringenden Appell zusammen mit den Oberpfälzer Landräten und Oberbürgermeistern forderte er, sich impfen zu lassen.
Im Neumarkter Klinikum gab es am Freitag vier Corona-Intensiv-Patienten, drei weniger als am Vortag. Aber trotzdem sind 18 der insgesamt 22 Intensiv-Betten belegt.
Die stark ansteigende Zahl an Corona-Infektionen, die „extrem angespannte Situation“ auf den Intensivstationen in der Oberpfalz und die erneute Ausrufung des Katastrophenfalls durch die Bayerische Staatsregierung waren Themen einer Videokonferenz, zu der sich auf Einladung von Regierungspräsident Axel Bartelt die Landräte aller Landkreise und Vertreter der kreisfreien Städte in der Oberpfalz zusammengeschalten hatten. Für den Landkreis Neumarkt nahm Landrat Willibald Gailler teil.
Einblicke zur aktuellen Lage in den Kliniken lieferten die ebenfalls teilnehmenden Ärztlichen Leiter für die Krankenhauskoordination in der Oberpfalz.
Dabei erfuhren die Videokonferenz-Teilnehmer, dass das Klinik-Personal erneut an der Belastungs-Grenze oder „zum Teil bereits darüber hinaus“ arbeite und sich zudem die Zahl der freien Intensivbetten stetig verringere. Von den in der Oberpfalz verfügbaren 291 Intensivbetten sind aktuell 260 belegt. Dabei geht es nicht nur um Covid-19-Patienten, sondern auch um Notfälle wie Herzinfarkte oder Unfälle.
Damit sind über 85 Prozent der verfügbaren Intensivbetten in der Oberpfalz belegt. Bei den Teilnehmern der Videokonferenz bestand Einigkeit darüber, dass die aktuelle Situation es nun erforderlich macht, die Covid-19-Schwerpunktkrankenhäuser durch Umplanung von medizinisch verschiebbaren Behandlungen zur Schaffung von zusätzlichen Behandlungskapazitäten für Covid-19-Patienten oder sonstigen Notfällen sowie nicht verschiebbaren elektiven Eingriffen zu verpflichten. Dies ist auch in der kürzlich von den beiden bayerischen Ministerien des Inneren und für Gesundheit und Pflege erlassenen „Allgemeinverfügung zur Bewältigung erheblicher Patientenzahlen in Krankenhäusern“ geregelt.
Die Regierung der Oberpfalz wird deshalb nach Stufe 3a des Notfallplans zur Corona-Pandemie einen Bescheid dazu erlassen. Die Anordnung gilt für die Covid-19-Schwerpunktkrankenhäuser in den drei oberpfälzer Rettungszweckverbänden bis einschließlich 14.Januar. Das Neumarkter Klinikum zählt zusammen mit fünf Regensburger Kliniken und den Krankenhäusern in Donaustauf, Wörth und Cham zum Rettungszweckverband Regensburg.
Die Covid-19-Schwerpunktkrankenhäuser im gesamten Regierungsbezirk sind dadurch verpflichtet, von sämtlichen unter medizinischen Aspekten aufschiebbaren stationären Behandlungen abzusehen. Die stationären Kapazitäten sollen für die Behandlung von Notfallpatienten, COVID-19-Patienten sowie Patienten, deren planbare Behandlungen aus medizinischen Gründen nicht verschoben werden können, reserviert werden.
Die Teilnehmer appellierten im Anschluss an die Konferenz gemeinsam an alle Nicht-Geimpften, sich jetzt dringendst impfen zu lassen, soweit gesundheitliche oder medizinische Gründe nicht dagegen sprechen. Nur so könne eine komplette Überlastung der Kliniken noch verhindert werden und das Gesundheitssystem der Oberpfalz funktionsfähig bleiben. „Das einzig wirksame Mittel, das wir im Moment haben, ist und bleibt die Corona-Schutzimpfung“, sagte Regierungspräsident Bartelt.
Eine Impfung gegen das Corona-Virus schütze vor einem schweren Verlauf, auch wenn es trotz vollständigem Impfschutz gelegentlich zu Infektionen – sogenannten Impfdurchbrüchen – kommen könne. Die verlaufen im Regelfall aber deutlich milder, als eine Covid-19-Infektion ohne Immunisierung.
Die oberpfälzer Covid-Intensivbetten sind fast ausnahmslos mit Ungeimpften belegt. „Obwohl in den letzten Tagen ein deutlicher Anstieg bei den Impfungen auch in der Oberpfalz zu verzeichnen war, können wir mit unserer Impfquote von 66,9 Prozent vollständig Geimpften bei weitem nicht zufrieden sein“, sagte Bartelt. Wenn man sich insbesondere mit Portugal (86,6 Prozent), Spanien (80,6 Prozent), Italien (74,8 Prozent) oder innerhalb Deutschlands mit dem Saarland (74,2 Prozent) oder Nordrhein-Westfalen (71,1 Prozent) vergleiche, dann sei die niedrige Impfquote in Bayern und auch in der Oberpfalz „unverständlich und nicht akzeptabel“. „Wir fahren hier sehenden Auges gegen die Wand, weil viele immer noch nicht den Ernst der Lage gesehen haben oder ihn nicht sehen wollen“, sagte Bartelt.
Auf „Triage“ vorbereiten
Regierungspräsident Bartelt appellierte außerdem an alle Krankenhäuser mit Covid-19-Patienten, sich vorsorglich auf sogenannte Triage-Entscheidungen vorzubereiten, da demnächst der Zeitpunkt kommen werde, wo nicht mehr alle intensivpflichtigen Patienten auf den eigens dafür eingerichteten Intensivstationen behandelt werden können. Er verwies dabei insbesondere auf die Situation im österreichischen Bundesland Salzburg. Dort steht die Krankenhaus-Versorgung auf den Intensivstationen wegen der vielen schweren Corona-Fälle auf der Kippe und die dort bereits eingesetzte Triage-Kommission wohl bald darüber entscheiden werde, für welchen Patient noch ein Intensivbett zur Verfügung steht und für wen nicht.
19.11.21
Neumarkt: Auf „Triage“ vorbereiten