Unter einem Dach

NEUMARKT. Rentner, junge Familien und Alleinerziehende unter einem Dach - dieses Experiment soll mitten in der Neumarkter Altstadt auf dem früheren Gelände der Glossner-Brauerei zwischen Hertzwirtsgasse und Rosengasse stattfinden. Das Wohnprojekt "Der Hof" wird von einer Genossenschaft verwirklicht - und von Wissenschaftlern begleitet. Die Initiative dazu besteht schon seit drei Jahren.

Der Verband bayerischer Wohnungsunternehmen (VdW Bayern) befürwortet Hausgemeinschaften unter dem Dach von Wohnungsgenossenschaften, erklärte jetzt Verbands-Chef Heinz-Werner Götz bei einer Presse-Konferenz.

Im Rahmen des „Experimentellen Wohnungs- und Städtebaus“ (ExWoSt) werden bundesweit 22 Empfehlungen der Expertenkommission „Wohnungsgenossenschaften“ der Bundesregierung in der Praxis getestet: Dazu zählen auch drei Modellvorhaben in Bayern. Zu den zwei bereits bestehenden Wohnungsgenossenschaften in München (Wogeno und FrauenWohnen) kommt noch die geplante Neugründung in Neumarkt hinzu.

In Neumarkt gibt es seit drei Jahren eine Initiative für gemeinschaftliches, Generationen-übergreifendes Wohnen unter einem Dach. Nun soll das geplante Projekt, das bereits in das Stadtleitbild integriert ist, im Rahmen einer Genossenschaft entwickelt werden. Auf der 5.500 Quadratmeter großen ehemaligen Gewerbefläche im Zentrum sollen Wohnungen sowie Gewerbe- und Gemeinschaftsräume entstehen.

Der Markt für seniorengerechte Wohnimmobilien steckt noch immer in den Kinderschuhen – doch die Zeit drängt: Immer mehr ältere Menschen, bereits mittelfristig zu wenig Altenheimplätze, Ausstieg Bayerns aus der Finanzierung von Pflegeheimen sowie veränderte Ansprüche an das Wohnen. Der VdW Bayern sieht einen Wohnnotstand im Alter heraufziehen. Eine gute Lösung könnten laut Verbands-Chef Heinz-Werner Götz Hausgemeinschaften unter dem Dach von Wohnungsgenossenschaften bieten. Das bestätige auch eine aktuelle Umfrage des VdW Bayern. Die Senioren-Wohngemeinschaft sei dagegen eher ein Medien-Phänomen, so Götz auf einem Pressegespräch anlässlich des „Forum Wohnungsgenossenschaften“.

Der Anteil der über 60-Jährigen an der Gesamtbevölkerung beträgt in diesem Jahr nach Angaben des Statistischen Bundesamtes rund 19,4 Prozent und wird sich bis 2010 auf 25,2 Prozent erhöhen. Das entspricht umgerechnet 16,4 Millionen Menschen. Der Markt für seniorengerechtes Wohnen sei darauf nicht vorbereitet.

Hier könnten Genossenschaften für Entlastung sorgen. Schließlich wollen die meisten Menschen so lange wie möglich in der eigenen Wohnung bleiben. Schon heute leben in Wohnungsgenossenschaften überdurchschnittlich viele ältere Menschen. Die Nachbarschaft von Gleichaltrigen bringe auch soziale Kontakte, wenn die eigenen Kinder und Enkel weiter entfernt leben. So könnte der Zeitpunkt bis zur Unterbringung in einem Pflegeheim so lange wie möglich hinausgezögert werden. Das bedeute gleichzeitig weniger Ausgaben für den Staat. In Gemeinschaften mit mehreren Generationen, die sich gegenseitig zur Hand gehen, könne das besonders gut gelingen.

Das bedeute, dass der junge Familienvater über 70-Jährigen die Einkaufstüten in die Wohnung trägt. Im Gegenzug könnte die „Aushilfs“-Oma aus der Nachbarschaft stundenweise den Nachwuchs unter ihre Fittiche nehmen, veranschaulicht Götz das Prinzip der Selbsthilfe. „Das können reine Senioren-Wohngemeinschaften nur bedingt leisten.“

Angesichts tendenziell sinkender Einkommen und Kaufkraft im Ruhestand werde nicht nur private Vorsorge, sondern auch nachbarschaftliches Engagement und Bürgerarbeit besonders im Rentenalter immer wichtiger. Laut Bericht der Rürup-Kommission fällt das Bruttorentenniveau von 48 Prozent (2001) auf 40 Prozent im Jahr 2030.

Junge Familien mit Kindern aus "Schwellenhaushalten" könnten so in den Genuss günstigen Wohnraums kommen, genauso wie Senioren mit geringerem Einkommen.

Die Miete, das so genannte Nutzungsentgelt, werde nicht über das zur Bewirtschaftung notwendige Maß hinaus angehoben, so Götz. „Das spricht ebenso für das genossenschaftliche Wohnen wie das lebenslange Wohnrecht für Mitglieder – Kündigungen sind – außer bei schwerwiegenden Pflichtverstößen – ausgeschlossen.“

Außerdem gehören Genossenschaftsanteile zum geschützten Vermögen und werden im Fall von Arbeitslosengeld II nicht angetastet.

Weiteren Mehrwert für Jung und Alt böten z.B. Kooperationen mit Anbietern von ambulanter Pflege, die an einem Stützpunkt bereitgestellt wird. Externe Dienstleister könnten anfallende Arbeiten wie Reinigung und Reparaturen erledigen, Volkshochschulen vor Ort Kurse zur Selbsthilfe im Alltag durchführen.

Dem gegenüber setzen nach einer aktuellen Umfrage, die die GfK Nürnberg im Auftrag des VdW Bayern durchgeführt hat, lediglich 1,9 Prozent auf die Senioren-WG, 2,2 Prozent auf das Alten- bzw. Pflegeheim und weitere 2,2 Prozent auf die Senioren-Residenz. „Das sind zusammengenommen nicht einmal zehn Prozent“, so Götz weiter „da sind andere Lösungen erforderlich.“
07.10.05
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