Nicht einmal vor Strauß Angst...
Er liebte die Geselligkeit, aber meist ohne seine Ehefrau Katha-
rina. Bei seiner Feier zum 70. Geburtstag durch den Rauchclub
Germania machte er eine Ausnahme (rechts von ihm mit Nerz-
schal). Links der damalige Vorsitzende Georg Sippl; dazwischen
das Geschenk des Rauchclubs, ein Bild des Jubilars aus der
Hand des Nürnberger Künstlers Fred Menzel.
NEUMARKT. Der erste Nachkriegs-Oberbürgermeister wurde nicht von der Bürgerschaft gewählt, sondern kurzerhand "eingesetzt". Das war im Oktober vor genau 60 Jahren, als ihn 1945 die amerikanischen Besatzer als 38-Jährigen an die Spitze der Stadt stellten: Theo Betz - schon zu Lebzeiten eine Legende.
27 Jahre lang hat er die Geschicke der Stadt gelenkt; gerne hätte er noch eine Amtsperiode dran gehängt, aber das Kommunalwahlrecht ließ das nicht zu. Vor Beginn der neuen Amtsperiode wäre er nämlich 65 geworden, und so durfte er nicht mehr kandidieren. Das gleiche Schicksal teilte mit ihm sein Nachfolger Kurt Romstöck, der auch zwischen Wahltag und Beginn der neuen Amtsperiode ins Pensionistenalter schlitterte. So wurde der Weg für Alois Karl frei, der sich in eineinhalb Jahrzehnten als ein würdiger Nachfolger seiner tatkräftigen Vorgänger erwies.
Mit seinem Weggang nach Berlin ist erst einmal bis zum 4. Dezember (oder zwei Wochen länger) unklar, wer die Erfolgsstory des Trios Betz-Romstöck-Karl weiterschreibt. Eines ist aber jetzt schon sicher: Traumergebnisse wie Theo Betz wird keiner der Kandidaten bei der jetzt anstehenden Wahl einfahren: 1958 votierten 99 Prozent für ihn, 1964 waren es "nur" 97 Prozent.
Vor neun Jahren, am 23. Oktober 1996, verstarb Theo Betz an den Folgen eines Schlaganfalles und damit verlor Neumarkt ein Original der besonderen Güte.
Es gab wohl kaum eine Neumarkterin, die in den 27 Jahren seiner "Regentschaft" nicht einmal von ihrem Oberbürgermeister geküsst oder eines Kusses "beraubt" wurde. Die "Betroffenen" klagten hinterher immer über seine eigenwillige Kuss-Methode.
Schon zu Lebzeiten eine Legende: Neu-
markts erster Nachkriegsoberbürgermeister
Theo Betz.
Fotos: Erich Zwick
Seine Schlitzohrigkeit setzte sich bis in seine Amtsführung hinein fort. Besonders Stadtrat Philipp Beck sen. könnte ein Lied davon singen, wäre er noch unter den Lebenden. Als das Plenum wegen des Rathaus-Umbaues Anfang der 70er Jahre im Turnerheim tagte, wartete "der Theo" bei einem kniffligen Punkt auf der Tagesordnung, bis Philipp Beck mal schnell verschwinden musste. Diese Gelegenheit nutzte Betz, den Punkt vorzuziehen und mit zwei Sätzen abzuhandeln: "Meine Herren (Damen gab's da noch keine im Gremium), die Problematik ist bekannt, Wortmeldungen sind keine, wer ist dagegen, also einstimmig - so genehmigt. Kommen wir zum nächsten Punkt." Da erschien Beck wieder unter der Tür: "Herr Oberbürgermeister, zum Punkt Sieben hätte ich noch was zu sagen." - Darauf Theo: "Herr Stadtrat Beck: "Die Diskussion ist beendet, einstimmig beschlossen, wir sind bei Punkt Acht."
Selbst vor dem Parteivorsitzenden und späteren Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß stand der Theo nicht stramm. Als im Jahre 1972 im Zuge der Gebietsreform eine Landratsneuwahl erforderlich wurde, weil zum Altlandkreis Neumarkt Teile von Parsberg und Beilngries hinzukamen, standen für die CSU drei Bewerber zur Auswahl: Bauer für Neumarkt, Pröll für Beilngries und Alfred Spitzner für Parsberg. Als CSU-Kandidat machte seinerzeit Alfred Spitzner das Rennen, was ihm Josef Werner Bauer mit einer Freien Wählergemeinschaft bei der richtigen Wahl dann aber erfolgreich streitig machte.
Im Wahlkampf ergriff Theo Betz offen Partei für Josef Werner Bauer, was den Parteioberen der CSU verständlicherweise sauer aufstieß. Das sprach sich bis zum großen FJS durch, der mit eisernem Besen durchgreifen wollte. Höchstpersönlich griff er zum Telefonhörer, um Theo Betz zu maßregeln.
Vorzimmerdame Muschaweck vermittelt das Gespräch - Theo Betz nimmt ab und folgender Dialog ist überliefert: "Hier Betz" - "Grüß Gott, Herr Oberbürgermeister, hier ist Franz Josef Strauß." - Betz: "Grüß Gott." - Strauß: "Sie wissen, wer da spricht?" - Betz: "Ja, ja." - Strauß:"Franz Josef Strauß." - Betz: "Ja, ja". - Strauß: "Der Parteivorsitzende der CSU". - Betz: "Ja, ja." - Strauß: "Sie wissen, weshalb ich anrufe?" - Betz: "Ja, ja." - Strauß: "Sie unterstützen einen Abtrünnigen." - Betz: "Davon habe ich auch schon gehört". - Strauß: "Das wird Folgen für Sie haben!" - Betz: "Ja, ja.". Darauf beendete Strauß entnervt das Telefonat. Von Folgen hat weder der Theo noch die Öffentlichkeit jemals was gehört.
Sie gingen zwar respektvoll miteinander um, aber eine besondere Zuneigung empfand keiner für den anderen: Theo Betz und sein Nachfolger im Amt, Kurt Romstöck. Es war im Jahre 1973, als das neue Hallenbad seiner Bestimmung übergeben werden sollte. Die Vorbereitungen zur feierlichen Einweihung waren im vollen Gange, als der Alt-OB seinem Nachfolger die Schau stahl. Kurzerhand lud er zwei Wochen vor dem offiziellen Termin die Mitglieder des Rauchclubs Germania zu einer inoffiziellen Eröffnung ein.
Die Sache hatte nur den einen Haken: ein halbes Dutzend Rauchclubmitglieder kamen aus der Redaktion der
Neumarkter Nachrichten, die dieses nächtliche Spektakel natürlich journalistisch "ausschlachteten". Die drauffolgende offizielle Einweihung war damit um ihren Überraschungseffekt beklaut.
So war er halt, "unser" schlitzohriger Theo.
Erich Zwick
16.10.05
Neumarkt: Nicht einmal vor Strauß Angst...