"Energiegeld ausbezahlen"
Zum Steuerstreit zwischen Arbeitgeberpräsident Hundt und SPD-Vorsitzendem Beck
Seit Jahrzehnten hat die Staatsquote abgenommen - unabhängig davon, welche
Regierung am Ruder war. Als Ideal galt der "schlanke Staat". Doch unser
Staat ist nicht schlank, sondern machtlos. Ihm fehlen die notwendigen Gelder
zur Wahrnehmung wichtigster Gemeinschaftsaufgaben. Jahr für Jahr gibt er
vergleichsweise immer weniger Geld für sein Personal aus. Nach Angaben des
statistischen Bundesamtes lagen die Personalausgaben im Jahr 1993 noch bei
9,1 Prozent des Bruttoinlandproduktes, zwölf Jahre später sind sie mit 7,4
Prozent um fast ein Fünftel geringer. Die praktischen Konsequenzen sind uns
zwar bekannt, doch werden sie fast nie mit den fehlenden Steuereinnahmen in
gedankliche Verbindung gebracht.
Deshalb hier einige Beispiele:
Es fehlen Erzieherinnen in Kinderkrippen und Tagesstätten. Dies hat
Einfluss auf Kinderwunsch und Geburtenrate.
Es fehlen Lehrer. PISA-Sieger Finnland hat vergleichsweise dreimal so
viele Lehrer zur Betreuung seiner Schüler im Einsatz. Dort können sich die
Lehrer in kleinen Gruppen um Kinder mit unterschiedlichen Voraussetzungen
kümmern. Unternehmen beklagen sich über den
mangelnden Stand des Schulwissens bei den Berufsanfängern. Mit der
Vernachlässigung des Schul- und Bildungssystems vernachlässigt der Staat die
Zukunft unserer Gesellschaft.
Es fehlt an Richtern und Hilfspersonal bei den Gerichten. Das führt dazu,
dass man über Jahre auf ein rechtskräftiges Urteil warten muss.
Die laufenden Preissteigerungen für Elektrizität können durch die
Bundesnetzagentur offenbar nicht mehr eingedämmt werden.
Kartellamtsentscheidungen, die das Funktionieren eines freien Wettbewerbs
gewährleisten sollen, kommen nur mit großer Zeitverzögerung.
Die Befürworter eines "schlanken Staates" vergessen leicht, dass der Wert
eines Wirtschaftsstandortes sich ganz wesentlich nach den vom Staat
bereitgestellten Dienstleistungen richtet: gut vorgebildeter Nachwuchs,
sozialer Friede und soziale Sicherheit, eine intakte Rechtsprechung. Hier verspielt Deutschland wichtige Chancen!
Um die Finanznot des Staates und die Massenarbeitslosigkeit zu beenden,
fordern der Solarenergie-Förderverein Deutschland (SFV) und ich als stellvertretender Vorsitzender der ÖDP im Landkreis Neumarkt eine energische
Besteuerung der Energie und eine Streichung des Arbeitgeberanteils an der
Sozialversicherung. Nur so sind nach unserer Auffassung die beschriebenen
Probleme in den Griff zu bekommen.
- Die Energie bietet sich als ergiebige Steuerquelle an. Dies zeigt die Erfahrung der letzten Jahre. Obwohl die Energiekonzerne mit unglaublichen Gewinnspannen die Treibstoff-, Strom- und Gaspreise in die Höhe treiben, lassen sich Bürger und Unternehmen nicht davon abhalten, Energie unverdrossen weiter zu verbrauchen. Ehe aber die Energiekonzerne unverhältnismäßige Gewinne abschöpfen, wäre es sinnvoller, wenn der Staat die Energie zugunsten wichtiger Gemeinschaftsaufgaben höher besteuerte.
- Eine Besteuerung von Energie würde die eingangs beklagte Vernachlässigung wichtiger staatlicher Aufgaben nicht verschlimmern, denn all diese genannten Aufgaben benötigen nur wenig Energie.
- Zur Verminderung der Massenarbeitslosigkeit fordert die Wirtschaft seit langem zu Recht eine Veringerung der Lohnnebenkosten. Neumeyer schlägt vor, dass der Staat den Arbeitgeberanteil für die Sozialversicherung mit den Einnahmen aus der erhöhten Energiesteuer finanziert. Diese Neuregelung würde nicht nur dem Staat selbst als Arbeitgeber, sondern auch vielen anderen Dienstleistern erlauben, ohne Erhöhung der Personalkosten deutlich mehr Personal einzustellen.
- Eine Verteuerung von Energie würde zwar die energieintensiv hergestellten Grundstoffe, wie Stahl, Zement und Kunstdünger deutlich verteuern. Die Folge wäre aber ein Aufblühen solcher Wirtschaftszweige, die mit weniger Grundstoffen auskommen, dafür aber mehr Personal beschäftigen, z.B. das Instandsetzungsgewerbe, der Holzbau oder die ökologische Landwirtschaft.
- Zum Ausgleich der steuerbedingten Energiepreisanhebung schlagen der SFV und ich vor, den Anteil der Energiesteuer, der sich im Durchschnitt beim privaten Energieverbrauch ergibt, allen Bewohnern des Landes unabhängig vom Alter und von ihrer finanziellen Lage als "Energiegeld" in monatlich gleichen Beträgen auszuzahlen.
Abschließend eine Andeutung der Größenordnungen:
Der Arbeitgeberanteil der Sozialversicherung beträgt bundesweit
195 Mrd. Euro. Der gewerbliche Endenergieverbrauch beträgt etwa
1660 Mrd kWh. Es ergibt sich ein Steuersatz von
195 / 1660 = 0,12 Euro pro kWh
Der private Energieverbrauch beträgt etwa die Hälfte des gewerblichen
Verbrauchs, Die Einnahmen liegen somit ebenfalls nur bei der Hälfte von
195 Mrd. Aufgeteilt auf die 80 Millionen Bewohner ergibt sich ein
"Energiegeld" von 100 Euro pro Monat und Person.
Die ÖDP Neumarkt hat sich für dieses Modell des SFV bei der Jahresmitgliederversammlung ausgesprochen.Es wäre sehr sinnvoll, wenn dieses Modell in 10-Jahres-Schritten umgesetzt würde, um unser Gesellschafts- und Wirtschaftssystem zukunftsfähig zu machen.
- mit sonnigen Grüßen :-)
19.04.06
Josef Neumeyer, stellvertretender ÖDP-VorsitzenderNeumarkt: "Energiegeld ausbezahlen"