"Millionenfach widerlegt"
Zum Bericht "Überprüfungen gelockert", neumarktonline vom 5.4.2007
In der Tat hat der Bürokratismus einen unerträglichen Umfang angenommen. Doch wer vom Staat oder von der EU, also von der Allgemeinheit, Geld oder Unterstützung erhalten will, der sollte sich damit abfinden, "die Hose ´runterlassen zu müssen". In so fern kann Albert Deß, dem agrar- und verbraucherpolitischen Sprecher der CSU-Europagruppe, uneingeschränkt beigepflichtet werden.
Wenn Deß aber im selben Atemzug behauptet, die Landwirte hätten schon seit Jahrhunderten die Böden so bewirtschaftet, dass sie "in gutem landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand seien", dann ist er der psychologisch verständlichen eigenen Verdrängungskunst erlegen. Es ist nämlich noch gar nicht so lange her, dass in der Landwirtschaft nach der Maxime "viel hilft viel" gehandelt wurde. Mit der Einführung des sogenannten "integrierten Landbaus" versuchte die Landwirtschaft der Forderung der Gesellschaft, die Anwendung von Kunstdüngern und Pestiziden zu reduzieren, wenigstens teilweise zu entsprechen.
Die nicht nur von Deß litaneiartig wiederholte Feststellung, "Landwirte hätten aufgrund ihrer Ausbildung die Kenntnisse und Befähigung, ihre Tiere artgerecht zu halten", ist an sich schon falsch und wird durch die Realität millionenfach widerlegt. Nicht nur die gemeinhin als "Massentierhaltung" gescholtenen Formen der Intensivaufstallung von Legehennen, Schweinen (hier ganz besonders die in Kastenstände eingepferchten Sauen!),Masthühnern, Puten und Mastgänse, sondern auch die in kleineren Milchviehbetrieben praktizierte Anbindehaltung und die noch immer den Betrieben mit weniger als sechs etwa gleichgroßen Aufzuchtkälbern erlaubten Einzelboxen sprechen eine deutlich andere Sprache! Wer durch solche Haltungsverfahren Tierleid billigend in Kauf nimmt und gleichzeitig von "tiergerechter" oder schlimmer noch von "artgerechter" Haltung spricht, betrügt nicht nur die Verbraucher, sondern auch sich selbst. Aber letzteres ist wieder psychologisch verständlich, denn wer erträgt es schon, sich täglich mehrfach eingestehen zu müssen, dass er den natürlichen Bedürfnissen der von ihm wirtschaftlich genutzten Tiere nicht gerecht wird.
Tatsache ist aber auch, dass die Landwirtschaft ihr Ansehen in der Bevölkerung auf der Grundlage von Unwahrheiten nicht verbessern kann. Das gilt nicht nur für die "Internationale Grüne Woche", sondern auch für regionale Messen, wo immer wieder versucht wird, die Verbraucher zu täuschen. Auch bei Tagen des offenen Hofes stehen die Besucher fast immer vor verschlossenen Tieren, weil die Betriebsinhaber großes Tierelend zu verbergen haben! Stattdessen werden sie mit "idyllischen Installationen" abgespeist, z.B. mit einer Sau und normalerweise längst abgesetzten Ferkeln in einem geräumigen, eingestreuten Pferch, während die anderen Sauen in "eisernen Jungfrauen" in Dämmerlichtställen vegetieren müssen.
09.04.07
Eckard Wendt, Vorsitzender Arbeitsgemeinschaft für artgerechte NutztierhaltungNeumarkt: "Millionenfach widerlegt"