Funde in Pyrbaum
Bei der bundesweiten Razzia wurden riesige Mengen Chemi-
kalien sichergestellt.
Fotos: LKA
Teilweise mußten die in ganz Deutschland sichergestellten
Mengen mit Lastwagen abtransportiert werden.
NEUMARKT. Bei einer der größten Razzien Deutschlands wurden am Mittwoch auch drei Wohnungen in Pyrbaum und Berg durchsucht.
Das Landeskriminalamt bestätigte am Donnerstag, daß in zwei Objekten in der Gemeinde Pyrbaum "relevantes Material" sichergestellt wurde.
In einem Fall handelte es sich um von einem Bastler zu Sprengstoff zusammengemixte Chemikalien, die aus Sicherheitsgründen von Mitgliedern eines Sprengkommandos gleich vor Ort gesprengt werden mußten, weil ein Transport als zu gefährlich erschien. Dabei erlitt ein Techniker des Landeskriminalamts ein schweres Knalltrauma.
In der Wohnung in Berg wurde offenbar nichts entdeckt.
1290 Polizisten durchsuchten auf der Jagd nach Chemikalienhändlern und Herstellern von synthetischen Drogen am Mittwoch bundesweit 340 Wohnungen sowie weitere Objekte in Österreich und der Schweiz. In der Oberpfalz wurden 18 Wohnungen durchsucht, bestätigte LKA-Pressesprecher Christian Wacker am Donnerstag im Gespräch mit
neumarktonline.
Zu den Durchsuchungen im Landkreis Neumarkt wollte sich die Polizei nicht detailliert äußern - allerdings wurden "Funde von relevantem Material" in den zwei Wohnungen in Pyrbaum bestätigt. Festnahmen gab es weder in Pyrbaum noch in der Gemeinde Berg.
Hintergrund einer der aufwändigsten polizeilichen Aktionen der letzten Jahre zur Bekämpfung
der Rauschgiftkriminalität sind Ermittlungen, die von der Staatsanwaltschaft München
II zusammen mit dem Bayerischen Landeskriminalamt (LKA) und von der Staatsanwaltschaft
Verden zusammen mit der Zentralen Kriminalpolizeiinspektion Lüneburg (ZKI)
seit mehr als einem Jahr geführt werden.
Das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft München II, das auch den Ansatz für
das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Verden lieferte, konzentriert sich auf einen
im Großraum München ansässigen 37jährigen Chemikalienhändler.
Der fiel den Ermittlern seit dem Jahr 2004 als Lieferant von Chemikalien auf, mit denen
in illegalen Rauschgiftlaboren synthetische Betäubungsmittel (vor allem Amfetamin, Metamfetamin
und "Liquid XTC") hergestellt wurden.
Darüber hinaus wird ihm zur Last gelegt, vorwiegend über das Internet in großen Mengen
die Industriechemikalie Gamma-Butyrolacton (GBL) verkauft zu haben. Diese wird nach
dem Konsum im menschlichen Körper in Gamma-Hydroxybutyrat (GHB) – besser bekannt
als "Liquid XTC" oder Vergewaltigungsdroge ("rape-drug") – umgewandelt und kann in der
weiteren Folge eine starke Abhängigkeit verursachen.
Vor genau einem Jahr wurde eine solche Droge in einer Neumarkter Disko benutzt, um eine junge Frau willenlos zu machen (
wir berichteten). Die Frau kam glücklicherweise mit dem Schrecken davon.
Die Abgabe von GBL an eine Person, die dieses zum Konsum erwirbt, führt zu einer
Strafbarkeit nach dem Arzneimittelgesetz, während die Verwendung von GBL zur Herstellung
von GHB eine Strafbarkeit nach dem Betäubungsmittelgesetz nach sich zieht.
Nach den bisherigen Ermittlungen dürfte der Händler sich bewusst gewesen sein, dass
ein Großteil seiner Kunden das GBL entweder als Betäubungsmittelersatz konsumierte
oder zur Herstellung von GHB verwendete.
Der Händler wurde am Mittwoch-Morgen aufgrund eines Haftbefehls des Amtsgerichts München
festgenommen. Er räumte die ihm zur Last gelegten Verkäufe der Chemikalien ein, gab
aber an, er habe nicht gewusst, dass er sich mit den Verkäufen strafbar mache. Am Donnerstag soll
ihm der Haftbefehl durch den Ermittlungsrichter eröffnet werden.
In Deutschland fanden die Ermittler bei mehr als 340 Durchsuchungen zahlreiche
Beweismittel. Dabei waren mehr als 1290 Polizeibeamte eingesetzt. Acht Personen
wurden in Bayern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Berlin und Schleswig-
Holstein festgenommen.
Im gesamten Verfahren konnten fünf Labore, in denen Rauschgifte hergestellt wurden, in Rheinland-Pfalz, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen,
Baden-Württemberg und Hamburg aufgefunden und sichergestellt werden.
Bei den Durchsuchungen außerhalb Bayerns wurden fast drei Liter GHB, mehr als 53 Liter GBL,
mehr als 1800 Gramm Amfetamin, sowie in zahlreichen Einzelfällen weitere Rauschgifte sichergestellt.
Daneben ergaben sich zahlreiche Hinweise auf andere Straftaten, zum Beispiel nach dem
Waffengesetz.
Insgesamt richteten sich die Durchsuchungsmaßnahmen im Ermittlungsverfahren der
Staatsanwaltschaft München II gegen 284 Personen im Bundesgebiet, davon 77 aus Bayern.
In Bayern fanden insgesamt 150 Durchsuchungen statt; dabei waren mehr als 600 Beamte
eingesetzt.
Die Kriminalbeamten konnten allein in Bayern rund 25 Gramm Kokain, fast ein Kilo Amfetamin,
sowie Kleinmengen an verschiedenen anderen Drogen sicherstellen.
In Fürth bedrohte der 22jährige Wohnungsinhaber die Einsatzkräfte mit einem Gasrevolver.
Die Situation konnte jedoch durch das umsichtige Verhalten der Polizeibeamten geklärt
werden. In seiner Wohnung wurden Chemikalien sichergestellt.
Eine gut ausgestattete Aufzuchtanlage mit Cannabispflanzen konnte in Ingolstadt bei einem
38jährigen Mann sichergestellt werden.
10.07.08
Neumarkt: Funde in Pyrbaum