"Neumarkt in der NS-Zeit"


Dr. Frank Präger, Petra Henseler, OB Thomas Thumann, Dr. Gabriele Moritz und Rudi Bayerl (v.l.) beim Pressegespräch zur Ausstellung.

NEUMARKT. Im Vorfeld eines für 2010 geplanten umfangreichen Buchprojekts gibt jetzt es eine Austellung zu "Neumarkt in der NS-Diktatur".

Die Ausstellung im Neumarkter Stadtmuseum wird am Sonntag eröffnet - dem 70. Jahrestag der "Reichskristallnacht", in der der Nationalsozialismus auch in Neumarkt "erstmals in aller Öffentlichkeit und unverhohlen sein wahres Gesicht zeigte - zum Entsetzen mancher, leider zu weniger Deutscher und des Auslands", wie Oberbürgermeister Thomas Thumann am Donnerstag bei der Vorstellung des Projekts sagte.

Zusammen mit Stadtrat Rudi Bayerl, Kulturamts-Chefin Dr. Gabriele Moritz, Museums-Leiterin Petra Henseler und Stadt-Archivar Dr. Frank Präger erinnerte Thumann in einem Pressegespräch an die Beweggründe für den Auftrag des Oberbürgermeisters, die Nazi-zeit und die Vorgeschichte für Neumarkt zu erforschen.

Mit dem Jahr 2005 habe das öffentliche Interesse an den Neumarkter Verhältnissen in der Zeit des Nationalsozialismus zugenommen: Schüler des Ostendorfer Gymnasiums hatten mit Unterstützung von Stadtarchivar Präger das Schicksal der in Neumarkt geborenen und im Konzentrationslager Stutthoff 1944 von den Nazis ermordeten Jüdin Ilse Haas recherchiert und anschließend sogar in Form eines Musicals eindrucksvoll inszeniert.

Das beeindruckende Projekt hatte Auswirkungen: so kamen die Gebrüder Haas aus ihrer neuen Heimat USA nach Neumarkt, wo ein Weg nach ihrer ermordeten Schwester benannt wurde (wir berichteten).

Bis zum Jahr 2010 ist eine Veröffentlichung in Form eines ambitionierten Buchprojekts und einer begleitenden großen Ausstellung geplant. Doch schon jetzt sollen exemplarisch erste Ergebnisse dieser umfangreichen Vorarbeiten in einer Dokumentation des Stadtmuseums präsentiert werden.

Unter dem provokanten Titel "Rechts-Staat?" – Neumarkt in der NS-Diktatur. Eine erste Bilanz werden anhand ausgewählter Bilddokumente wichtige Stationen auf dem Weg Neumarkts von der freiheitlich demokratischen Verfassung der Weimarer Republik hin zum alle Lebensbereiche durchdringenden Terrorregime der Nazis aufgezeigt

Die Aufnahmen aus dem Neumarkter Alltag kommentieren zunächst entsprechende Artikel der Weimarer Verfassung und deren systematische Pervertierung durch die nationalsozialistische Gesetzgebung.

Außerdem erläutern Texte auf der Basis des bislang untersuchten Quellenmaterials, wie auch in Neumarkt die völlige Umorganisation von Verwaltung und Gesellschaft als Grundlage zur Festigung der Macht der Nazis vollzogen wurde.

So erfahren die Besucher der Ausstellung, dass erstmals in der Nacht vom 9. auf den 10. März 1933 auch in Neumarkt zwölf Funktionäre der KPD, der SPD und des Reichsbanners in "Schutzhaft" genommen wurden.

Man erfährt, dass bei der Sanierung der Mariahilfstraße 1938 mehrere ältere jüdische Mitbürger in glühender Sommerhitze zur Zwangsarbeit verpflichtet wurden.

Schließlich machen die Recherchen aber auch deutlich, dass sich vor allem die katholische Kirche in Neumarkt lange Zeit erfolgreich gegen die Schikanen der Nazi wehren konnte. So sollte die Allerheiligen-Prozession zum Friedhof nicht mehr durch die Marktstraße, sondern über die Hallertorstraße führen. Stadtpfarrer Mitterhuber und viele Gläubige ließen sich aber von der Polizei nicht einschüchtern und traten den Rückweg vom Friedhof zur Johanniskirche geschlossen und demonstrativ durch die Obere Marktstraße an.

Auch in Neumarkt wurde in der "Reichskristallnacht" die Synagoge in der Hallertorstraße geplündert und verwüstet, lediglich die dichte Bebauung und die Angst vor einem Übergreifen des Feuers verhinderten die Brandstiftung.

Eingeschlagene Schaufenster, geplünderte Läden, Gewaltanwendung gegen jüdische Bürger waren auch in Neumarkt am Abend des 9. November 1938 zu konstatieren. An den Folgen ihrer von den Nazis zugefügten Verletzungen während des Novemberpogroms starben die jüdischen Neumarkter Ludwig Landecker und Luis Löw.

"So kennzeichnet der 9. November 1938, vor nunmehr 70 Jahren, einen grauenvollen Schritt in der Diskriminierung der Juden, der mit Ausgrenzung begann und mit der fast völligen Vernichtung der europäischen Juden in der Shoa endete", sagte OB Thumann am Donnerstag.

Die Ausstellung wird am Sonntag, 9.November, eröffnet und ist bis zum 31. Januar zu sehen. Vierzehntägig finden jeweils am Sonntag um 15 Uhr Führungen statt
06.11.08
Neumarkt: "Neumarkt in der NS-Zeit"
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