"Auf ein Wort"
Von Dekan Richard Distler
Auf einer astronomischen Uhr in Prag habe ich folgenden Spruch gelesen:
"Die Zeit eilt, die Zeit teilt, die Zeit heilt".
Der Silvesterabend lädt dazu ein, über diesen Spruch näher nachzudenken.
1.
Die Zeit eilt! Diese Erfahrung machen wir jeden Tag. Allzu kurz kommt uns das Leben vor. Allzu schnell vergeht ein Jahr nach dem andern. Die schnell vergehende Zeit empfinden wir oft als etwas Bedrohliches. Wir fragen uns: Gehen wir denn richtig um mit unserer Zeit? Hetzen wir nicht zuviel, so dass wir der Zeit davonlaufen, unsere Seele verlieren und vor lauter Stress unmenschlich und ungenießbar werden? Manchmal übersehen wir vor lauter Eile das Wichtigste: Gott und den Nächsten.
Die Zeit eilt! Das heißt auch: Die Sehnsucht nach Gott wach halten, diese Sehnsucht nicht verdrängen durch Süchte und durch schnelle Befriedigung unserer Konsumbedürfnisse.
Die Zeit eilt: Das bedeutet: Die Zeichen der Zeit beobachten, Ereignisse in unserer Gesellschaft wahrnehmen und rechtzeitig handeln, bevor es zu spät ist.
Deshalb erinnert Jesus uns Christen immer wieder daran, wachsam zu sein.
Das heißt: Wachsamkeit gegenüber den Vorgängen und Zeichen der Zeit aber auch gegenüber uns selbst und unserem eigenen Umgang mit der Zeit.
2.
Die Zeit teilt! Die Zeit teilt unsere Jahre in Lebensabschnitte und unsere Tage in Minuten und Sekunden. Die Zeit gibt uns Ordnung und Sicherheit. Eine gute Zeiteinteilung bewahrt uns vor Hektik und Unruhe. Wir dürfen uns Zeiten der Arbeit, aber auch der Ruhe und Besinnung gönnen. Zeiten, wo wir über uns selber nachdenken oder mal nichts tun. Ich denke an den Rhythmus der Woche, an den Sonntag und die Fest-Zeiten im Kirchenjahr; an Zeiten die wir für Gott, den Gottesdienst und das Gebet bewusst freihalten; aber auch an Zeiten, wo wir einen Krankenbesuch machen oder uns Zeit nehmen für einen alten Menschen oder Behinderten, an Zeiten, wo wir mit einem Kind spielen, Gemeinschaft pflegen oder uns Zeit nehmen für ein Ehrenamt. All das kann zu einer gesegneten und erfüllten Zeit werden.
3.
Die Zeit heilt! Wir kennen eher den Satz: Die Zeit heilt Wunden. Schauen wir zurück aufs vergangene Jahr. Da gab es nicht nur schöne Tage, sondern auch Leid, Enttäuschung, Krankheit, Trauer, Schmerz und der Abschied von lieben Menschen. Ein Abschied kann oft tiefe Wunden schlagen und weh tun. Mag sein, dass der zeitliche Abstand manche Wunden heilt. Die Heilung kann auch verstärkt werden, wenn wir die Wunden nicht verdrängen, sondern anschauen, zu ihnen stehen und sie von Gott berühren lassen. Denn Gott ist einer, der unseren Wunden ganz nah ist. Zu Weihnachten ist Gott unser Leidens- und Zeitgenosse geworden, um unsere Wunden zu heilen.
"Die Zeit eilt, die Zeit teilt, die Zeit heilt".
So ist mein Neujahrswunsch: Nützen wir unsere Lebenszeit als von Gott geschenkte Zeit und legen wir unsere Jahre, Tage und Stunden in seine guten Hände. Ihnen alle ein gesegnetes neues Jahr.
31.12.08
Neumarkt: "Auf ein Wort"