Hauchdünner Wahlsieg
Ein fairer Verlierer: der bisherige Direktkandidat Rudolf Kraus
gratuliert Oberbürgermeister Alois Karl zu seinem Erfolg. Dieser
scheint seinen Sieg noch gar nicht richtig verinnerlicht zu haben.
Hand aufs Herz: „Gewinne ich (Karl) oder er (Kraus)?“
Der spätere Wahlsieger Alois Karl bei der Stimmabgabe. Rechts
Versammlungsleiter Staatssekretär Hans Spitzner.
MdEP Albert Deß beim Verlassen der „Wahlkabine“.
MdB Barbara Lanzinger, die auf eine Kandidatur verzichtet hat-
te, begrüßt vom Neumarkter Kreisvorsitzenden Albert Füracker
(rechts) und von Alois Karl.
Fotos: Erich Zwick
„Sehen so Kontrahenten aus?“, fragen sich Herausforderer Ober-
bürgermeister Alois Karl und sein „Gegenspieler“, der bisherige
Mandatsträger Rudolf Kraus.
Knisternde Spannung unter den 120 Wahlfrauen und –männern.
Als schiene er vom eigenen Erfolg überrascht: der frischgekürte
Bundestagskandidat Alois Karl bei seinen Dankesworten an die
Delegierten. Neben ihm Bezirksvorsitzender Hans Spitzner.
NEUMARKT/KASTL. In Kastl wurde am Freitag Abend ein neues Kapitel in der Geschichte der CSU im Bundestagswahlkreis Amberg-Neumarkt geschrieben.
Zum ersten Mal seit Bestehen der Bundesrepublik wurde mit Alois Karl ein Neumarkter als Direktkandidat nominiert. Bisher hatten immer die Parteifreunde aus Amberg/Sulzbach-Rosenberg den Wahlkreisabgeordneten gestellt – in den letzten 15 Jahren Rudolf Kraus.
Viele hatten gehofft, dass es Zeit für einen „neuen Kopf“ sei, aber kaum einer hatte mit einem derart knappen Wahlergebnis gerechnet. Mit nur einer Stimme Vorsprung, nämlich mit 59:58 bei drei Enthaltungen hatte der Neumarkter Oberbürgermeister die Nase vorn. Dem Unterlegenen schossen die Tränen in die Augen.
Versammlungleiter Staatssekretär Hans Spitzner hatte nicht umsonst für Fairness geworben, was sich die Redner des Abends zu Herzen nahmen.
„Für eine neue Politik braucht man neue Köpfe“, warb der Neumarkter CSU-Kreisvorsitzende Albert Füracker für „seinen“ Kandidaten Alois Karl, wobei er den kommunalpolitischen Sachverstand des Neumarkter Oberbürgermeisters in den Mittelpunkt rückte. Der aus dem Bewerberkreis ausgeschiedenen Barbara Lanzinger wünschte er einen „guten Listenplatz“, um über diesen wieder in den Bundestag einzuziehen.
Die dermaßen Hoffierte honorierte aber den Vorschlag aus Neumarkt nicht: „Der Kreisverband Amberg-Stadt steht geschlossen hinter Rudolf Kraus“, sprudelte es aus ihr heraus.
Ähnlich votierte auch Dr. Harald Schwarz, der Amberg-Land-Vorsitzende, für „seine bewährte Kraft“ Rudolf Kraus, der sich durch „Verläßlichkeit und Vertrauen“ bewährt habe. Fast beschwörerisch bemühte er Konrad Adenauer selig, der seinen Gefolgsleute ins Stammbuch schrieb: „Keine Experimente“, womit unzweifelhaft Alois Karl gemeint war.
Bei der Vorstellung der Kandidaten meinten die Allwissenden schon allein am Beifall herausgehört zu haben, wem die Stunde schlägt. Alois Karl erhielt nämlich den kräfigeren und länger anhaltenden Applaus, obwohl er unverblümt anmerkte: „Jedermanns Darling bin ich nicht.“
Das mußten aber die Amberger Wahlfrauen und –männer wohl überhört haben. In ihren Ohren hat es eher verführerisch geklungen, als Karl sich und Barbara Lanzinger als Abgeordneten-Duo „mit der Kraft der doppelten Herzen“ propagierte.
Nach der geheimen Wahl, peinlich genau von Hans Spitzner beäugt, erst einmal schier lähmende Stille im Saal, als der Staatssekretär das Ergebnis verkündete: abgegebene Stimmen: 120, davon drei ungültig, 59 für Karl (hier hätte schon Jubel von Neumarkter Seite ausbrechen müssen), 58 für Kraus. Erst jetzt wurde auch den langsamer Rechnenden klar, dass die Mehrheit nicht bei 61, sondern bei drei Enthaltungen bereits bei 59 gegeben ist.
Nach alter Sitte gratulierte Rudolf Kraus seinem Herausforderer, der seinen Sieg noch nicht richtig verinnerlicht zu haben schien. Seine kurzen Dankesworte ließen die berechtigte Freude missen.
Erich Zwick
02.07.05
Neumarkt: Hauchdünner Wahlsieg