"Österliche Freude"
Von Monsignore Dekan Richard Distler
Ostern lässt uns etwas spüren, was in der modernen Hektik der Arbeits-, Berufs- und Freizeitwelt abhanden gekommen zu sein scheint. Es ist die Freude. Man kann natürlich einwenden: Heute gibt es doch Spaß zuhauf. Spaß aber ist etwas anderes als Freude. Spaß und seinen Spaß haben, das ist heute, z.B. durchs Fernsehen vermittelt, oft nur etwas "Gemachtes" und "Produziertes". Freude aber ist etwas "Geschenktes", etwas, was aus dem Herzen kommt. Solche Freude meint die Kirche, wenn sie von der österlichen Freude spricht und singt.

Aber was ist der Grund der Osterfreude? Der einzige Grund ist, dass Christus auferstanden ist. Aber was heißt das? Es heißt: Dass das Leben gesiegt hat, es hat sogar den Tod besiegt. Die Erfahrung lehrt uns: Unser Leben läuft auf den Tod zu. Der Osterglaube aber sagt uns: Das Leben läuft auf das Leben zu, sogar auf ein Leben, das nicht mehr stirbt. Ist das nicht Grund genug zu ausgelassener Freude? Es ist die Freude und das Glück, dass der Mensch erlöst ist und eine unbändig große Hoffnung hat, sogar über den Tod hinaus. Leider aber scheint sich heute eher die Freudlosigkeit und der graue Schleier des Zweifels über nicht wenige Christen zu breiten. Der dauernde Zweifel aber an der Auferstehung Christi lähmt die österliche Freude. Ist also dann Ostern überholt? Ist es ein hohles und leeres Fest, ein Fest ohne Hoffnung? Um die wirkliche Bedeutung von Ostern zu begreifen, müsste man doch einmal umgekehrt fragen: Was wäre, wenn Ostern, also die Auferstehung Jesu, tatsächlich nicht stattgefunden hätte? Gäbe es dann nur einen Toten mehr in der Weltgeschichte oder hätte das vielleicht dann doch eine äußerst niederschmetternde Wirkung?
"Ohne Auferstehung", so sagt einmal Kardinal Joseph Ratzinger, "hätte die Geschichte Jesu im Grab und im Karfreitag geendet. Jesus wäre verwest und so ein Gewesener gewesen". Aber was bedeutet das? Das würde bedeuten: Gott ist ohnmächtig. Er kann in die Geschichte nicht eingreifen. Er ist unfähig, unsere Welt, unser Leben und Sterben überhaupt zu berühren. Das würde auch bedeuten: Es ist sinnlos und umsonst, jemand zu lieben oder jemandem z.B. in der Ehe oder Freundschaft die Liebe zu versprechen. Es würde bedeuten, dass es auch kein Gericht und keine göttliche Gerechtigkeit gibt. Es würde bedeuten: Die Gemeinsten, die Gerissenen, die Gnadenlosen und die Unbarmherzigen würden jetzt schon und erst recht am Ende als Sieger dastehen. Die Streichung des Osterglaubens würde die Welt und die Menschheit an den Abgrund der Sinnlosigkeit und der Verzweiflung führen.
Menschen, die in großer Trauer sind um einen lieben Angehörigen, sagen mir immer wieder. "Wenn man da keinen Glauben hätte, müsste man schier verzweifeln. Der Glaube ist jetzt das Einzige, woran ich mich festhalten kann". Solch österlicher Glaube im Angesicht des Todes und des eigenen Sterbenmüssens spendet unbändigen Trost und ist der Grund für eine stille innere Freude, für die Freude, die den Kräften des Herzens und der Seele entspringt. In ihrer Vollkraft aber entlädt sich die österliche Freude im Alleluia der Osternacht und des Ostersonntags. Im Buch der Offenbarung wird das Alleluia das "neue Lied der Erlösten" genannt.
Freilich, dieses neue Lied dürfen die Erlösten endgültig erst singen in der "neuen und anderen Welt", wenn alles neu wird und Gott uns beim Namen ruft. Aber etwas davon dürfen wir jetzt schon vorwegnehmen in der großen Freude, im Alleluiagesang der Osternacht und des Ostersonntags. Denn das Singen ist Ausdruck tiefster innerer Freude. Gerade im Singen übersteigt der Mensch alle irdische Vernünftigkeit und Rechnerei und gerät in eine kleine Ekstase. Das Alleluia als schönster Ausdruck österlicher Freude ist ein Aussingen ohne Worte. Es ist ein Singen, das über allen Worten steht und keine Worte mehr braucht.
10.04.09
Neumarkt: "Österliche Freude"