Blitzschnelle Denker


Bei der Siegerehrung (v.l.): Sebastian Mösl (1.Vorsitzender SK Neumarkt), GM Michael Bezold (2.), GM Klaus Bischoff (1.), Ralph Alt, IM Ilja Schneider (3.), Axel Neffe (Bester Nichttitelträger), IM Andreas Heimann (Bester U30) und Robert Ackermann (Nationaler Schiedsrichter, SC Noris Tarrasch Nürnberg).

NEUMARKT. In Neumarkt gaben sich die besten Schnelldenker Deutschlands bei der 36. Deutschen Einzelmeisterschaft im Blitzschach die Ehre.

Um deren Ausrichtung hatte sich der Schachklub Neumarkt anlässlich seines 60jährigen Vereinsjubiläums erfolgreich beim Deutschen Schachbund beworben und nach zwei Jahren Vorbereitung freuen sich die Verantwortlichen des Vereins, dass nun alles reibungslos über die Bühne geht.

32 Spieler treten im Modus Jeder-gegen-Jeden an, das heißt es sind 31 Runden zu spielen und insgesamt gibt es an diesem Tag 496 Partien zu bewundern. So etwas gibt es nur beim Blitzschach, denn hier haben die Spieler jeweils nur fünf Minuten Bedenkzeit für eine komplette Partie. Entsprechend muss genau abgewogen werden zwischen der intensiven Suche nach den besten Zügen und möglichst schnellem Ziehen, denn wenn die Bedenkzeit abgelaufen ist, hat man die Partie verloren. Dadurch ist Spannung garantiert, insbesondere wenn beide Spieler nur noch wenige Sekunden zur Verfügung haben.

Schon in der ersten Runde bekommen die rund 150 Zuschauer eine Kostprobe der Blitzkunst der Spieler und man sieht den staunenden Gesichtern an, dass sie es nicht für möglich gehalten hätten, dass man in weniger als zehn Sekunden noch einen siegbringenden Mattangriff aufs Brett zaubern kann. Überhaupt ist es faszinierend zu beobachten, wie die Spieler trotz der schnellen Zugfolge ihre Figuren harmonisch miteinander wirken lassen und auch in komplizierten Stellungen stets die Übersicht behalten.

Doch das ist in diesem hochklassigen Feld kein Wunder, befinden sich doch sage und schreibe 26 Titelträger unter den 32 Teilnehmern: fünf Großmeister, 13 Internationale Meister und acht FIDE Meister. 16 Spieler weisen eine ELO-Zahl von mehr als 2400 auf (zum Vergleich: ein Bezirksligaspieler hat meist um die 2000, ein durchschnittlicher Vereinsspieler 1600), womit Neumarkt die bestbesetzte Blitzmeisterschaft der Geschichte sieht.

Zu den Favoriten gehören neben dem Rekordtitelträger GM Klaus Bischoff (SF Katernberg /10 Titel) und dem Titelverteidiger GM Robert Rabiega (SK König Tegel/3 Titel) auch zwei bekannte Schachgrößen aus der Schachregion Mittelfranken: der gebürtige Waischenfelder GM Michael Bezold (FC Bayern München) und der Nürnberger GM Michael Prusikin (SC Forchheim).

Auch ein Neumarkter ist mit von der Partie, darf der Ausrichter doch einen Teilnehmer stellen (wir berichteten). Diese Ehre wird dem Neumarkter Rekordstadt- und vereinsmeister Martin Simon zuteil, der als Bezirksligaspieler gegen gestandene Bundsligaspieler natürlich krasser Außenseiter ist und dessen Ziel allein ein Ehrenpunkt ist.

Eine Sensation bahnt sich bereits in Runde 4 an: ausgerechnet der Lokalmatador hat GM Michael Prusikin eine Figur abgeknöpft und obendrein Zeitvorteil als der Favorit ein Remis anbietet. Bei der Abwägung zwischen einem möglichen (und vermutlich in der Karriere einmaligen) Sieg gegen einen Großmeister und der Chance sich bereits früh im Turnier einen halben Punkt zu sichern überwiegt letztlich der Respekt vor dem Großmeister und Martin Simon akzeptiert das Unentschieden – ein großer Erfolg.

Auch andere Favoriten müssen bereits früh Punkte abgeben, es gibt in diesem starken Teilnehmerfeld keinen leichten Gegner. GM Klaus Bischoff behält seine weiße Weste am längsten und muss erst in Runde 9 gegen IM Peter Meister (FC Bayern München) erstmals die Waffen strecken. Es sollte seine einzige Niederlage im gesamten Turnier bleiben – eine fantastische Leistung!

Von Anfang an befindet sich der Rekordsieger an der Spitze, nach 16 gespielten Runden sind einzig GM Michael Bezold und GM Michael Prusikin noch in Schlagdistanz, während die Dominatoren des Vorjahres GM Robert Rabiega und IM Ilja Schneider (Sfrd. Berlin 1903) nur schwer ins Turnier kamen und bereits einigen Rückstand aufweisen.

Im weiteren Turnierverlauf setzen sich GM Bischoff und GM Bezold weiter von ihren Verfolgern ab und nun wartet alles gebannt auf den direkten Vergleich in Runde 25. Doch keiner riskiert übermäßig und man trennt sich bereits nach 15 Zügen Remis. Aber das Turnier ist noch nicht zu Ende und GM Klaus Bischoff hat noch einige Klippen zu umschiffen.

Die Entscheidung fällt in Runde 30: GM Klaus Bischoff hat weiter einen Punkt Vorsprung und tritt nun gegen GM Robert Rabiega an. Dieser kann sich leichte Vorteile erspielen und schafft sich einen Freibauern. Doch der Rekordmeister behält die Ruhe, nutzt einen Fehler seines Gegenüber aus und gewinnt das Endspiel souverän. Da gleichzeitig GM Michael Bezold gegen IM Thies Heinemann (Hamburger SK von 1830) verliert steht der Sieger vor der letzten Runde fest: GM Klaus Bischoff holt seinen 11. Titel in beeindruckender Art und Weise mit 27 von 31 möglichen Punkten (24 Siege, 6 Remis und nur 1 Niederlage).

Auf Rang zwei landet GM Michael Bezold mit 24 Punkten, es ist bereits seine dritte Vize-Meisterschaft, zum dritten Mal hinter Klaus Bischoff. Das Podest komplettiert der Vorjahreszweite IM Ilja Schneider mit 23 Punkten vor GM Robert Rabiega (21,5) und IM Daniel Hausrath (SV Mühlheim-Nord 1931/21). GM Michael Prusikin verpasst als Sechster mit 20 Punkten knapp die Preisgeldränge. Beachtenswert ist auch die Leistung des Setzlisten 30. Axel Neffe (Queer-Springer SSV Berlin) der mit 17,5 Punkten Elfter wurde und damit einen Sonderpreis für den besten Nichttitelträger bekommt. IM Andreas Heimann (SC Dreiländereck) gewinnt als Zehnter mit 18,5 Punkten die Jugendwertung.

Für Lokalmatador Martin Simon stehen am Ende vier Remis zu Buche, alle gegen Titelträger (1 GM, 1 IM und 2 FM)! Ein Sieg bleibt ihm zwar verwehrt, dennoch ist er mit seinem Abschneiden mehr als zufrieden – schließlich war allein die Teilnahme das Highlight in seiner Schachkarriere. In einigen Partien war sogar die Chance auf mehr vorhanden und er war bei weitem kein Kanonenfutter. Von den Schachprofis bekommt er bei der abschließenden Siegerehrung anerkennenden Applaus.

Den bekommen auch der 1.Vorsitzende Sebastian Mösl und sein Helferteam für die "perfekte Organisation" des Turniers. Besonders hervorgehoben wurde der straffe Ablauf des Turniers, das als wohl schnellste Blitzeinzelmeisterschaft in die Geschichte eingeht. Auch dass es nicht einen Protestfall gegeben hat ist einzigartig. Darüber hinaus bot der Schachklub einen bislang einzigartigen Service in Form einer Live-Berichterstattung im Internet, bei der jeweils die aktuelle Ergebnisliste und Tabelle sowie Bilder, Partien und Kurzberichte veröffentlicht wurden.

Nach einem gemeinsamen Essen im Hotel Wittmann lässt man den Abend gemütlich ausklingen. Einige Teilnehmer haben nach dem kräftezehrenden Turnier immer noch nicht genug und blitzen noch bis nach 1 Uhr...

Der Schachklub kann die Ausrichtung der Deutschen Blitzeinzelmeisterschaft als vollen Erfolg verbuchen. Er stand im Fokus der deutschen Schachszene und Neumarkt wird bei den Teilnehmern in bester Erinnerung bleiben, hieß es. Durch die perfekte Organisation habe sich der Schachklub selbst das schönste Geschenk zum 60jährigen Jubiläum gemacht.
08.12.09
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