"Ziemlich unverfroren"

NEUMARKT. In einem "Offenen Antworfbrief" rechnet OB Thumann mit "Irreführungen" von FLitZ zum geplanten Biomasseheizkraftwerk ab.

Die "Freie Liste Zukunft" hatte eine "Denkschrift" traditionell nur an ihr genehme Zeitungen geschickt und neumarktonline boykottiert.

In einer Reaktion zerpflückt ein sichtlich genervter Oberbürgermeister Thomas Thumann die "Unwahrheiten, Halbwahrheiten, Unterstellungen und falschen Zusammenhänge".

Wir veröffentlichen das Schreiben des Oberbürgermeisters im Wortlaut:

Seit dem Beschluss zum geplanten Biomasseheizkraftwerk wird versucht, Stimmung gegen dieses Vorhaben zu machen und dies sogar mit aus unserer Sicht der Darstellung von Halbwahrheiten, mit Unterstellungen oder falschen Zusammenhängen.
Sie und andere Kritiker haben vieles in den Raum gestellt, dabei wurde aus unserer Sicht nichts davon sachlich und stichhaltig begründet, belegbar ist es schon gar nicht.

Es sind viele Punkte, auf die man eingehen könnte, ich möchte aber nur einige herausgreifen und diese richtig stellen.

So wird zum Beispiel unterstellt – zuletzt in Ihrer Denkschrift vom 8.12.2009 -, dass keine Alternativen zu dem mit Holzhackschnitzel beheizten Kraftwerk geprüft worden seien. Vielmehr ist richtig, dass die Stadt bereits im Vorfeld in einer Machbarkeitsstudie zu einer möglichen Energiezentrale die Frage untersuchen ließ, ob eine Biogasanlage oder eine Hackschnitzelverbrennungsanlage die zielführende Technik sei. Beauftragt wurde die Machbarkeitsstudie übrigens am 16.08.2005 durch den Werkssenat, es gab dazu einen Zwischenbericht im Werkssenat am 12.12.2005 und einen Bericht zum Stand der Machbarkeitstudie am 20.2.2006. Dazu erfolgte am 20.9.2006 auch eine Infofahrt des Werkssenats zur Biomassenheizkraftanlage nach Pfaffenhofen und zur Biogasanlage der Fa. Schmack nach Schwandorf.

Der Werkssenat hat schließlich am 30.10.2006 die SWN mit Planungen für ein Biomasseheizkraftwerk beauftragt. Dies war sogar ein einstimmiges Votum, übrigens auch mit Ihrer Stimme, sehr geehrter Herr Stadtratskollege Madeisky, denn Sie hatten damals Stimmrecht im Senat und waren laut Protokoll dabei anwesend!

Falsch und für mich sogar unterstellend sind auch die mehrmals schon gemachten Aussagen/Andeutungen, dass die Nutznießer des Werkes die Neumarkter Lammsbräu und andere Unternehmen seien, die dort anschließen wollen.

Richtig ist vielmehr, dass Nutznießer des Werkes vor allem die Bürger Neumarkts – nicht zuletzt auch als Abnehmer, denn bisher haben sich schon bereits über 50 auf eine Warteliste setzen lassen - sein werden, die über gut strukturierte Stadtwerke mit einer Eigenstrom- und Energieversorgung unabhängiger von großen Strom- und Energieanbietern werden. Zudem ist der größte Nutznießer selbstverständlich die Umwelt, angesichts des Klimawandels und der gerade laufenden Klimadebatte sicherlich ein überhaupt nicht zu unterschätzendes Gut.

Willkürlich aus dem Wirtschaftsplan für 2010 der Stadtwerke herausgerissene Zahlen wie etwa Haushaltsansätze für eine Leitung für Prozessdampf vom BHKW bis zur Lammsbräu sollen scheinbar den Eindruck erwecken, hier werde das Geld der Allgemeinheit für einzelne ausgegeben. Dabei stellt die Dampfleitung vom Kraftwerk bis zur Lammsbrauerei jedoch die Hauptversorgungsleitung für die gesamte Dampf- und Wärmeversorgung aus dem Kraftwerk in die Stadt dar und dient somit allen Wärmekunden. Der Aufbau eines Fernwärmenetzes bedeutet selbstverständlich, dass Leitungen gelegt werden müssen, die Kosten dafür trägt allerdings nicht die Allgemeinheit, sondern sie werden in die Gebühren für die Wärme- bzw. Dampfabnahme eingerechnet und sind damit von den Nutzern zu bezahlen.

Scheinbar der Versuch, mich zu diffamieren, denn völlig falsch ist die Aussage, dass die Diskussion über den Wirtschaftsplan im letzten Werksenat von mir abgebrochen worden sei. Vielmehr handelte es sich dabei um einen Geschäftsordnungsantrag von Stadtrat Franz Hierl auf Schluss der Debatte. Laut Geschäftsordnung §§ 27 und 28 ist über einen Antrag zur Geschäftsordnung "sofort abzustimmen, eine Beratung zur Sache selbst findet insoweit nicht statt." Da dieser Antrag einstimmig vom Werksenat angenommen wurde, war die Debatte zu beenden. Damit handelt es sich nicht wie von ihnen behauptet um einen Verstoß von mir gegen die Geschäftsordnung, sondern um eine genaue Einhaltung der Geschäftsordnung!

Die Aussage, dass Vertragsinhalte zur Wärme- bzw. Dampfabnahme nicht bekannt gegeben worden seien, stimmt so auch nicht. Es wurden das Preisspektrum von 60 – 80 Euro pro Megawattstunde für die Wärmeabnahme genannt, und auch allgemeine Inhalte der Verträge kamen zur Sprache. Detaillierte Vertragsinhalte wurden und werden sicher nicht genannt, denn die Stadt ist bei Rechtsgeschäften alleine schon aus rechtlichen Gründen nicht berechtigt, Vertragsdetails öffentlich bekannt zu machen, dies würde den Schutz jeglichen Vertragspartners der Stadt aufheben und die Stadt letztlich handlungs- und entscheidungsunfähig machen.

Falsch ist ebenfalls die Aussage, dass eine Bürgerbeteiligung nicht stattgefunden hat. Vielmehr hat die Stadt bereits im Vorfeld eine Bürgerversammlung in Holzheim am 12.6.2007 dazu abgehalten, mehrere Informationsfahrten mit Bürgern, Stadträten und Werksenatsmitgliedern nach Pfaffenhofen fanden statt, wir haben über eine Bürgerinformation und einen Flyer die bis dahin bekannten Eckdaten den Bürgerinnen und Bürgern mitgeteilt, wir hatten einen Infostand der SWN beim Altstadtfest und auf der Neumarkter Handwerksmesse mit Schwerpunkt Biomasseheizkraftwerk, und selbstverständlich wird Bürgerbeteiligung im weiteren Verfahren durchgeführt werden.. Nicht zuletzt im Bauleitplanverfahren wird ein großer Bereich der Bürgerbeteiligung gewidmet sein.

Ob bewusst oder nicht wird durch ihre Aussage, dass das Werk im Landschaftsschutzgebiet liegt, eine Dimension suggeriert, die nicht gegeben ist. Aufrichtiger wäre es zu sagen, dass das geplante Werk lediglich einen minimalen Teil des bestehenden Landschaftsschutzgebietes berührt, nämlich 0,15 (!) Prozent der Fläche des ganzen Schutzgebietes.

Zu hinterfragen ist auch ihre Aussage, dass die Ausarbeitungen des Bayerischen Kommunalen Prüfungsverbandes, eine Körperschaft des öffentlichen Rechts zur Wirtschaftlichkeit falsche Daten enthalte und man heute andere aktuelle Preise etc. auf dem Markt antrifft.

Dabei ist es einsichtig, dass heutige konkrete Preise etwa bei Öl, Gas, Holz usw. selbstverständlich bei der Erstellung der Berechnungen damals noch gar nicht bekannt sein konnten. Dass sich inzwischen Veränderungen vieler Parameter ergeben haben, liegt alleine in der Tatsache, dass bei jedem Gutachten zwischen Erarbeitung und Fertigstellung sowie der späteren Diskussion Änderungen der Preise auf den Märkten ergeben können. Allerdings wurden solche Preisänderungen auch in die Berechnungen des Prüfungsverbandes als Ansätze mit aufgenommen.

Als ziemlich unverfroren empfinde ich die Aussage im Hinblick auf das Energiekonzept der Stadt dass bei dieser Vorstellung im Stadtrat "von der Stadt beauftragte und bezahlte Leute das Werk ausschließlich positiv darstellten."

Richtig ist vielmehr, dass die Stadt die Grundlagen für einen Energienutzungsplan und einen Klimaschutzfahrplan erarbeiten ließ, die übrigens nicht beschlossen wurden, sondern vielmehr als Basis für weitere Entwicklungen in die Fraktionen zur Diskussion gegeben wurden. Die beauftragten Unternehmen waren bei der Erstellung ausschließlich dazu angehalten, aufgrund des aktuellen Standes im Hinblick auf die Energienutzung, die vorhandenen Ressourcen und mögliche Entwicklungen zu einer Reduzierung von C02 und einem sparsameren Umgang mit Energien Daten zu ermitteln und Handlungsoptionen aufzuzeigen. Dass dabei ein vom Stadtrat im Februar beschlossenes Biomasseheizkraftwerk in diese Projektion in die Zukunft mit eingerechnet wird, versteht sich eigentlich von selbst. Und dass ein solches Werk zur C02-Bilanz der Stadt einen erheblichen Beitrag leisten wird, steht ebenfalls außer Fragen. Dies haben die Experten auch deutlich gemacht.

Es scheint allerdings Methode zu sein, hier mit dem Unterton "von der Stadt beauftragt und bezahlt" deren Kompetenz und damit deren sachlichen Darstellungen in Zweifel zu ziehen und die Stadt genauso wie die Unternehmen zu diskreditieren. Darüber hinaus steht der Nutzen eines Biomasseheizkraftwerkes, seine ökologische Sinnhaftigkeit und auch sein Beitrag zum Klimaschutz bei sehr vielen Experten außer Frage, zum Beispiel auch im Bayerischen Ministerium für Umwelt und Gesundheit. Hier hat mir Minister Dr. Markus Söder im Rahmen der Sitzung des Umweltausschusses des Bayerischen Städtetages in Nürnberg vor wenigen Tagen persönlich bestätigt, dass man Werke wie das in Neumarkt, also Kraft-Wärme-Koppelungsanlagen unterstützt und für gut heißt.

Dargestellt wird auch immer, dass die Versorgung mit Hackschnitzeln - wohlgemerkt handelt es sich um Abfallholz aus der Holzwirtschaft - nicht gesichert sei.

Niemand von den Kritikern konnte diese Aussage bisher tatsächlich belegen, und trotzdem wird die von der Stadt im Hinblick mehrmals betonte und dargestellte Versorgungssicherheit für das Biomasseheizkraftwerk in Frage gestellt. Auch hierzu hat mir Staatsminister Dr. Söder mitgeteilt, dass es nach seinem Kenntnisstand auch aktuell weiterhin der Wald einen höheren Zuwachs erfährt als durch Einschlag verloren geht. Wir lassen zudem derzeit ein aktuelles Gutachten zur Sicherstellung der Brennstoffversorgung erstellen, das Anfang 2010 vorliegen soll.


Völlig außer acht bleibt bei der Argumentation gegen das Biomasseheizkraftwerk aber offensichtlich die Tatsache, dass Öl, Gas und manch andere fossile Energien endlich sind, große Klimakosten verursachen, und wie bei Gas zum Beispiel weite Transportwege hinter sich haben. Alternativen, wie ein mit Palmöl geheiztes Kraftwerke, das auch einmal von FLitZ ins Spiel gebracht worden war, offenbaren bei genauerem Hinsehen eine erschreckende Ökobilanz, wenn man bedenkt, dass dafür viele tausend Hektar Regenwald abgeholzt werden, um dort rasch wachsende Ölpalmen zu pflanzen. Deren Ertrag wird dann über viele tausend Kilometer bis zu uns transportiert.

Eine grobe Fehlinformation ist die Aussage, dass die bei der Stromerzeugung anfallende Wärme nicht genutzt werde und es kein Nutzungskonzept gebe.

Diese Wärme wird in der 1. Ausbaustufe an die bekannten Dampf- und Wärmekunden Burgis, Lammsbräu, Kloster und Ritter geliefert. In der 2. Ausbaustufe könnten weitere Interessenten, wie etwa das Klinikum, das Landratsamt und die Gymnasien sowie die Marktstrasse und auch die Brauerei Glossner angebunden werden. Danach ist noch genügend Potential für die möglichen Kunden entlang der Wärmetrassen verfügbar. Weiterhin wäre auch die Erzeugung von Fernkälte zur Klimatisierung von Geschäftsbauten im Sommer möglich etc…

Irreführend ist auch Ihre Aussage, dass bei der Entnahme von Dampf von sechs Megawatt und eine Wärmeauskopplung von sieben Megawatt infolge die angegebene Stromleistung von fünf Megabyte nicht zu erzielen ist.
Richtig ist vielmehr, dass der Biomassekessels eine Feuerungsleistung von 24 MW und die Dampfturbine eine Leistung von 5 MW besitzen. Damit sollen rund 40 GWh Strom pro Jahr und in der 1. Ausbaustufe 34 GWh Dampf/Wärme erzeugt und verkauft werden.

Völlig falsch und offensichtlich bewusst irreführend ist die Aussage, dass in dem Biomasseheizkraftwerk auch Stammholz verbrannt werden soll. Dies war und ist nie von uns gesagt worden, dies war und ist auch nie vorgesehen gewesen, denn es ist keine Verwendung im Sinne des von uns vorgelegten Konzeptes.

Auch die Aussage, dass damit die Stadt in Konkurrenz zu regionalen, holzverarbeiteten Unternehmen komme, stellt sich somit in einem anderen Licht dar. Denn dieses Abfallholz wurde bisher kaum in größerem Maße im Wald geerntet.

Ungeachtet der Tatsache, dass auch ein Biomasseheizkraftwerk Arbeitsplätze schafft, vor allem aber Lebensraum erhält und für unsere Heimat Klimaschutz bedeutet, ist neben der ökologischen "Rentierlichkeit" auch die wirtschaftliche "Rentierlichkeit" einer solchen Anlage ein Thema. Bisher geht das Gutachten des Kommunalen Prüfungsverbandes von einer im schlechtesten Fall "schwarzen Null" aus. Wohlgemerkt: Im schlechtesten Szenario.

Wir haben immer wieder und stets schon betont, dass wir neue Berechnungen hinsichtlich Wirtschaftlichkeit anstellen lassen, sobald der Generalplaner seine Arbeit abgeschlossen hat und wir dadurch eine konkrete Planung mit konkreten Zahlen für das dann konkretisierte Vorhaben eines Biomasseheizkraftwerkes besitzen. Daher sind wir gerade dabei, neue technische und wirtschaftliche Gutachten zu beauftragen, deren Ergebnisse wir dann auch präsentieren werden.

Bisherige Aussagen der Kritiker, dass hier keine Wirtschaftlichkeit gegeben sei, entbehren somit zumindest sachlicher Grundlage, denn konkrete Planungen lagen verständlicherweise bei der früheren Wirtschaftlichkeitsberechnung noch gar nicht vor. Denn vor dem notwendigen Grundsatzbeschluss des Stadtrates für eine solche Anlage konnte auch kein Generalplaner mit der Planung befasst werden.

Völlig außer acht dabei wird von den Kritikern die Tatsache gelassen, dass der Bau des Vorhabens aufgrund der günstigen Konditionen fremdfinanziert wird und so der städtische Haushalt somit nicht in der von den Kritikern dargelegten Weise tangiert würde. Unerwähnt bleibt von Kritikerseite zudem auch, dass die Kosten des Baus nicht bestehen bleiben, sondern sich durch die Energieerzeugung und deren Verkauf amortisieren und somit kein Zig-Millionendefizit ergeben, wie von den Kritikern gerne in den Raum gestellt wird.

Im Übrigen ist es schon erstaunlich, wie hier von verschiedensten Seiten versucht wird, ein auch ökologisch sehr wichtiges Projekt alleine auf die ökonomische Grundlage zu reduzieren. Ein solches Denken und Vorgehen würde in seiner letzten Konsequenz auch bedeuten, dass man viele Einrichtungen der Stadt, die Stadtbücherei, die Museen, den ÖPNV, das Freibad, Eislauffläche, Parkhäuser und vieles mehr auf den Prüfstand stellen und – nach der beim Biomasseheizkraftwerk von Kritikern geäußerten wirtschaftlichen Konsequenz – nicht durchführen dürfte. Dies kann und darf nicht die Politik einer Kommune sein, sie muss auch zukunftsweisend handeln, sie muss auch Dinge bereitstellen, die die Lebens- und Umweltqualität ihrer Bürger sichert und verbessert.

11.12.09
Neumarkt: "Ziemlich unverfroren"
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