Nur mehr halb so groß
Professor Dr.-Ing Markus Brautsch bei seinem Vortrag am Donnerstagabend in der Sondersitzung des Neumarkter Stadtrates.
NEUMARKT. Es soll ein Biomassekraftwerk geben in Neumarkt - wenn auch nur halb so groß wie früher geplant und ohne Dampf-Erzeugung. So schaut es nach der Sondersitzung des Stadtrats am Donnerstag aus.
Die große Mehrheit der Stadträte (zwei Gegenstimmen) stimmte für ein Kraftwerk mit 14.000 Megawattstunden Stromerzeugung und 26.000 Megawattstunden Wärmeerzeugung für Investitionskosten von 17,4 Millionen Euro an - im Gegensatz zur ursprünglich vorgesehenen 34-Millionen-Euro-Anlage. Und auch der vormals geplante Dampf war am Donnerstag nur mehr heiße Luft.
Schlechte Karten hatte bei der Stadtratssitzung das Angebot der Firma Pfleiderer, das in weiten Teilen als schlicht zu teuer empfunden wurde - besonders wenn man mit der Abwärme via Wärmepumpe auch den Stadtkern beheizt hätte. Eine Wärmenutzung allein im Pfleiderer-nahen Stadtteil Hasenheide wäre noch eher zu machen, würde aber voraussichtlich Wärmekosten von 8,2 Cent pro Kilowattstunde erfordern (Bei einer Beheizung des Stadtkerns wären es gar 8,8 Cent gewesen)
Die jetzt favorisierte Größe eines städtischen Biomasseheizkraftwerk könnte die Kilowattstunde dagegen für geschätzt 6,1 Cent anbieten.
Einig war man sich weitgehend, daß man Pfleiderer bei Nachverhandlungen über den Preis noch eine Chance geben soll - wobei sich ungewöhnliche "Koalitionen" ergaben. FLitZ-Stadtrat Hans Jürgen Madeisky, in der Vergangenheit nicht sehr häufig als großer Pfleiderer-Freund in Erscheinung getreten, erinnerte die Kollegen an den "maßgeblichen Arbeitgeber der Stadt", dessen Abwärme unbedingt genutzt werden müsse.
Daß man mit Pfleiderer noch einmal sprechen sollte, meinte auch CSU-Fraktionssprecher Werner Thumann, der freilich auch eine Breitseite gegen das Unternehmen fuhr: Es habe durchaus "unglücklicher Äußerungen von der Pfleiderer-Spitze gegeben", sagte er, aber auch wie die Stadt mit dem Unternehmen jüngst umgegangen sei, halte er "für ungut".
Die CSU stellte dem Oberbürgermeister vorsichtige Zustimmung zu den neuen Planung in Aussicht. allerdings mit einem "Ja, aber", wie es Werner Thumann formulierte. Das "Aber" sei die Bedingung, vorher noch einmal ernsthaft mit Pfleiderer über Lieferpreise zu verhandeln.
Die CSU zeigte ihre Genugtuung, daß das geplante Biomasseheizkraftwerk kräftig abgespeckt wurde. Dabei wolle man dies "nicht so hinstellen, als wäre dies allein das Verdienst der CSU", hieß es. Auch die "Kollegen von FLitZ" hätten da durchaus Verdienste, hieß es großzügig.
CSU-Sprecher Werner Thumann zeigte sich gegenüber seinem Namenskollegen OB Thomas Thumann scheinbar versöhnlich, sparte aber nicht mit Spitzen: Man sei froh, daß die Aufgeschlossenheit bei der Stadt-Spitze "letztlich da ist", lobte er, um gleich darauf zu relativieren: "auch wenn es ein bißchen unausweichlich war".
Man hätte immerhin "beinahe einem völlig überdimensionierten Krafttwerk und einer teuren Dampfleitung zugestimmt", bickte der CSU-Sprecher zurück - und merkte an: "Das sind 18 bis 20 Millionen gesparte Euro - etwa die Investitionssumme für ein Ganzjahresbad..."
Zu Beginn der Sondersitzung hatte Professor Dr.-Ing Markus Brautsch vom Instiut für Energietechnik an der Hochschulke Amberg-Weiden die verschiedenen Möglichkeiten vorgestellt. Klar zu teuer erschienen bei diesem Vergleich die beiden Alternativen einer Wärmeabnahme bei Pfleiderer. Das Unternehmen stellte sogar drei verschiedene Abwärmequellen zur Verfügung, von denen allerdings zwei ("Dampf im Sommer ist nutzlos") gleich ausschieden.
Die "Wärmeauskopplung aus dem Kondensatrücklauf der Trockenkammer" wäre zwar prinzipiell brauchbar, allerdings würden die Kosten pro Kilowattstunden zu hoch liegen, wenn man ein fast 15 Kilometer langes Netz bis in die Neumarkter Stadtmitte bauen müsse. Eine Versorgung des Stadtteils Hasenheide wäre eher möglich, allerdings auch noch deutlich teurer als die am Donnerstag vom Stadtrat favorisierte Lösung.
Bei einer Energieversorgung durch ein städtisches Kraftwerk sah Professor Brautsch vier Alternativen:
- Ein Biomasse-Heizkraftwerk mit Entnahme-Kondensationsturbine mit 5 MW elektrischer Leistung und 12 MW thermischer Leistung
- ein Biomasse-Heizkraftwerk mit Entnahme-Kondensationsturbine und einer elektrischen Leistung von 2,5 MW und einer thermischen Leistung von 5,3 MW
- ein Biomasse-Heizkraftwerk mit ORC-Anlage (1,34 MW) mit einer elektrischen Leistung von 1,3 MW und einer thermischen Leistung von 5,5 MW
- und ein Heizwerk mit Biomassekessel ohne Stromerzeugung und mit einer thermischen Leistung von 2 x 4 MW
Die Variante A entspricht dabei der ursprünglichen Planung, die Variante B dem nun auf die Hälfte abgespecktem Heizkraftwerk. Letzteres könnte die Kilowattstunde Wärme für 6,1 Cent anbieten.
In der Diskussion ging SPD-Sprecher (und Stadtwerke-Referent) Karl-Heinz Brandenburger in die Luft, als FLitz-Stadtrat Madeisky von seinem "mittlerweile sehr begrenztem Vertrauen" in die Stadtwerke sprach. Das sei "schlicht eine Unverschämtheit", sagte Brandenburger.
Auch der SPD-Sprecher war nicht sonderlich gut auf die Firma Pfleiderer zu sprechen, die schließlich sogar "Demonstranten vor das Rathaus geschickt" hätte. "Bisher hat er die Wärme in die Luft nausblasen und jetzt will er sie uns verkaufen", meinte ein erboster Brandenburger. Trotzdem war auch er der Meinung, daß man dem Unternehmen die Möglichkeit geben sollte, an seinem Angebot nachzubessern.
Der Stadtrat stimmte schließlich mit großer Mehrheit - nämlich gegen zwei Stimmen - für die abgespeckte Version eines Biomasseheizkraftwerkes und dafür, noch eine Runde mit Pfleiderer zu verhandeln.
22.07.10
Neumarkt: Nur mehr halb so groß