100 Pferde und Seehofer
100 bis 120 Pferde und viele Menschen werden wieder in Berching erwartet, wenn Ministerpräsident Seehofer kommt.
Fotos:Archiv
Mensch und Tier in trauter Harmonie
NEUMARKT. 100 bis 120 Pferde, viele Besucher und ein Ministerpräsident werden heuer beim traditonellen Berchinger Roßmarkt erwartet. Festredner bei der politischen Kundgebung am "größten Wintervolksfest in Bayern" ist wie schon vor zwei Jahren Horst Seehofer.
Am Mittwoch geht es um 9 Uhr in der Berchinger Innenstand mit dem kommentierten Auftrieb der Vierbeiner los. Um 10.30 Uhr ist die Begrüßung der Gäste durch Bürgermeister Ludwig Eisenreich geplant, bevor dann Ministerpräsident Horst Seehofer am Reichenauplatz sprechen wird. Danach, gegen 12.30 Uhr ist die Verleihung der Auszeichnungen an die Pferdehalter vorgesehen
Eigentlich am Mittwoch nach Lichtmess - heuer genau am Feiertag - werden in der 1100jährigen Stadt viele Pferde
und Gespanne aufgetrieben und zur Schau gestellt. Zahllose Fieranten verwandeln
das mittelalterliche Berching mit seinen 13 Türmen und vier Toren in einen riesigen
Warenmarkt.
Auch heuer werden wieder große Zuhörermassen erwartet
Pferde und Pferdemärkte haben in Berching eine jahrhundertealte Tradition. Als
wirtschaftliches Zentrum des Sulzgaues war die Stadt seit dem Mittelalter ein bedeutender
Marktplatz für die Versorgung des bäuerlichen Hinterlandes. Das Marktrecht
war Berching bereits vor 1245 verliehen worden. Seit alters her wurden hier Viehmärkte
abgehalten, auf denen neben Ochsen, Rindern, Schweinen und Kleinvieh
auch Pferde gehandelt wurden.
Welch bedeutende Rolle das Pferd im Leben der Vorfahren gespielt hat, zeigen
zahlreiche Einträge in den Berchinger Ratsprotokollen. Insbesondere auf eine gute
Gesundheit der Tiere wurde von Amts wegen großer Wert gelegt. Zu diesem Zweck
wurden schon vor mehr als 250 Jahren regelmäßige "Rossbeschauen" durchgeführt.
Bereits in einer Ratssitzung vom 12. Jenner 1722 war folgendes beschlossen worden:
Nach deine Vorkhommen, daß sowol in dem ambt Beylngries, allß Gröding alle
iahr in der charwochen sowohl die Statt- als Landtpferth zusammengeführt unnd
durch die Rosßbeschauer ordentlich visitirt werdten.... als ist zu Verhuettung allerhandt
schädlich unnd ansteckhendten Pferdtsucht von Probstdann Burgermaister
unnd Raths wegen beschlossen wordten dergleichen Vorsichtigkheit auch hier einzufahren,
mithin solche Beschauung alle iahr umb die bestimbte Zeith vorzunemmen....
Propst, Bürgermeister und Rat waren demnach übereingekommen, zur Verhütung
etwaiger Pferdeseuchen alle Pferde einmal jährlich durch die aufgestellten Rossbeschauer
tierärztlich kontrollieren zu lassen.
In den Niederschriften des Rates ist sogar noch ein wesentlich älterer Nachweis für
eine derartige Pferdebeschau zu finden. Unter der Überschrift
Rossgeschaw war
bereits am 24. April 1678 vom Rat vereinbart worden,
khünftighin alle diejehnigen
Ross und Füll, so man auff die Weith (Weide) thuen und Reithen wihl, durch die geschwohrhen
Rossgeschauer... ordentlich geschauen, besichtigen [zu] lassen...
Prominente Redner
NEUMARKT. Wer war eigentlich ranghöchster Gast beim Berchinger Roßmarkt ?
Das war weder Franz Josef Strauß (auch wenn er nach bayrischem Selbstverständnis vielleicht der wichtigste Mann war...), und nicht einmal Bundeskanzler Helmut Kohl.
In der nicht offiziellen, aber seit vielen Jahrzehnten geltenden Protokollarischen Rangliste der Bundesrepublik Deutschland folgt dem Bundespräsidenten der Präsident des Bundestages - noch vor Kanzler oder Kanzlerin. Ranghöchster Gast in Berching war also im Jahr 1983 der damalige Bundestagspräsident Richard Stücklen.
Die Rednerliste:
- 1964 Regierungspräsident Dr. Ernst Emmerig
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- 1965 Regierungspräsident Dr. Rudolf Bickl
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- 1967 Regierungspräsident Dr. Ernst Emmerig
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- 1968 Staatsminister Otto Schedl
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- 1970 Staatsminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Hans Eisemann
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- 1971 Staatsminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Simon Nüssel
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- 1972 Präsident des Bayer. Bauernverbandes Freiherr von Heremann
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- 1973 Franz Josef Strauß
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- 1974 Ministerpräsident Dr. h. c. Alfons Goppel
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- 1975 Franz Josef Strauß
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- 1976 MdB Dr. Aigner
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- 1977 Franz Josef Strauß
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- 1978 Staatsminister Alfred Dick
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- 1979 Stellv. Ministerpräsident Karl Hillemeier
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- 1980 Gerold Tandler
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- 1981 Heinz Rosenbauer
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- 1982 Ministerpräsident Dr. h. c. Franz Josef Strauß
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- 1983 Bundestagspräsident Richard Stücklen
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- 1984 Ministerpräsident Dr. h. c. Franz Josef Strauß
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- 1985 Staatssekretär Dr. Edmund Stoiber
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- 1986 Staatssekretär Simon Nüssel
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- 1987 Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes Dr. Schnieders
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- 1988 Staatsminister des Innern August Lang
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- 1989 Staatsminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Simon Nüssel
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- 1990 Ministerpräsident Max Streibl
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- 1991 Fraktionsvorsitzender Alois Glück
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- 1992 Bundesfinanzminister Dr. Theo Waigel
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- 1993 Staatssekretär Josef Miller
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- 1994 Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber
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- 1995 Landwirtschaftsminister Reinhold Bocklet
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- 1996 Staatssekretärin Monika Hohlmeier
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- 1997 Bayer. Finanzminister Erwin Huber
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- 1998 Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl
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- 1999 Sozialministerin Barbara Stamm
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- 2000 Innenminister Dr. Günther Beckstein
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- 2001 Umweltminister Dr. Werner Schnappauf
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- 2002 Wirtschaftsminister Dr. Otto Wiesheu
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- 2003 Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber
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- 2004 Landwirtschaftsminister Josef Miller
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- 2005 Wissenschaftsminister Dr. Thomas Goppel
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- 2006 Staatsminister Eberhard Sinner
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- 2007 Bundesminister für Landwirtschaft, Ernährung und Verbraucherschutz Horst Seehofer
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- 2008 Innenminister Joachim Herrmann
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- 2009 Ministerpräsident Horst Seehofer
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- 2010 Staatsminister für Umwelt und Gesundheit Dr. Markus Söder
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Als
Lokalität der Beschau wird der
Blaz... vor der Frau Weillhammerin Haus genannt.
Verantwortlich für die Beschau waren wiederum die vom Magistrat gewählten und
vereidigten Rossgeschauer.
Sicherlich hat bei diesen Gelegenheiten das ein oder andere Pferd seinen Besitzer
gewechselt. Dies war jedoch nicht der eigentliche Zweck der Veranstaltung. Bei der
ungeheuer wichtigen Rolle, die Pferde damals in der Landwirtschaft und im
Transportwesen spielten, hätte ein jährlich ein- oder zweimal stattfindender Rossmarkt
niemals den Bedürfnissen gerecht werden können. Ein Bauer oder Fuhrmann
brauchte bei Ausfall eines Pferdes sofortigen Ersatz. Pferde wurden zu dieser Zeit
mit Sicherheit das ganze Jahr über gehandelt - wie heutzutage Autos und Traktoren.
Der eigentliche Ursprung des heutigen Berchinger Rossmarkts ist erst viel später zu
suchen - im Jahr 1920. Am 5. Oktober dieses Jahres hatte der damalige Magistrat
beschlossen, bei den zuständigen Behörden einen Antrag auf Abhaltung zweier
"Pferde- und Fohlenmärkte" zu stellen. Neben einer Absatzförderung für die während
des Ersten Weltkriegs stark ausweitete Pferdezucht in der Region dürften dabei in erster
Linie eigene wirtschaftliche Erwägungen im Vordergrund gestanden haben.
Ein
überregionaler Markttag brachte zahlreiches und zahlungskräftiges Publikum in die
Stadt - zum Nutzen der ansässigen Geschäftswelt. Es sollten allerdings noch sechs
Jahre ins Land gehen, ehe am 3. Febraur 1926 der erste "Berchinger Pferde- und
Fohlenmarkt" stattfinden konnte. Im Unterschied zu heute handelte es sich damals
um einen reinen Pferdemarkt.
Der Markt wurde von der Bevölkerung unerwartet gut aufgenommen und war auf Anhieb
ein voller Erfolg. Nicht weniger als 341 Pferde waren damals aufgetrieben worden.
Kein Wunder, dass für das folgende Jahr wiederum ein Pferde- und Fohlenmarkt
angesetzt und vom Rat um eine ständige Genehmigung für einen jährlichen
Rossmarkt nachgesucht wurde.
Auch das seither übliche Datum - der Mittwoch nach
Lichtmess - wurde damals festgelegt. Dieser Zeitpunkt am Ende der ereignis- und
umsatzarmen Winterzeit und vor Beginn der Fastenzeit kam den schon erwähnten
Interessen der Berchinger Geschäftswelt entgegen. Darüber hinaus befanden sich in
den Tagen um Lichtmess zahlreiche Dienstknechte und Mägde auf Arbeitsuche in
der Stadt. Ihre Dienstverträge waren auf ein Jahr befristet und liefen traditionell an
Lichtmess aus. Knechte und Mägde erhielten ihren Lohn ausbezahlt und konnten
sich bei dieser Gelegenheit einen neuen Dienstherren suchen.
Von Seiten der Stadt wurde alles unternommen, um die Attraktivität des
Marktes zu steigern. Schon 1928 wurden kleine Geldpreise und Fahnen für die größten
Anbieter und Käufer ausgelobt. Für 1930 wird ein Auftrieb von 288 Pferden gemeldet.
Damals verlangte die Stadt je Tier 50 Pfennig Standgeld. Da die Geldpreise von den
ansässigen Geschäftsleuten mitgetragen wurden, waren die Unkosten für die Stadt
denkbar gering. Bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs fanden die Märkte ohne
Unterbrechung statt.
Mit dem Jahr 1947 wurden in Berching die Vieh- und Krammärkte und in der Folge
auch der schon traditionell gewordene Rossmarkt wieder aufgenommen. Wie vor
dem Krieg wurden kleine Preise ausgesetzt und die Pferdehändler strömten zahlreich
in die Stadt.
Stelldichein in Berching beim Roßmarkt.
Nach einem erfolgreichen Start machten sich allerdings bald zunehmende Schwierigkeiten
bemerkbar. Neben zweier Absagen wegen der grassierenden Maul- und
Klauenseuche in den Jahren 1952 und 1966 machte die zunehmende Motorisierung
in der Landwirtschaft dem Handel mit Pferden seit Ende der 50er Jahre schwer zu
schaffen.
Seit Mitte der 60er Jahre war der Berchinger Pferde- und Fohlenmarkt wie zahlreiche
andere Pferdemärkte in Bayern gar in seiner Existenz bedroht. Die Berchinger wollten
"ihren" Rossmarkt auf keinen Fall aufgeben. Seit 1964/65 wird zeitgleich mit dem
Pferdemarkt in Berching der große "Bauernjahrtag im Westjura" veranstaltet. Zusätzlich
sollten höhere Prämien mehr Pferdebesitzer veranlassen den Roßmarkt zu beschicken.
Damit einher ging die Wandlung von einem Pferdemarkt zu einer "Pferdeschau"
mit großem Warenmarkt. Statt der früher vorherrschenden Kaltblüter wurden
nun zusätzlich Reitpferde und Ponys aufgetrieben und zur Schau gestellt. Gerettet
war der Rossmarkt damit noch keinesfalls.
Erst Anfang der 70er Jahre nahm der Berchinger Pferdemarkt einen überraschenden
Aufschwung. Statt wie in den Jahren zuvor nur noch 50 bis 60 Pferde konnten die Besucher
nun immer häufiger 100 und mehr Rösser bestaunen. Die Zahl der Besucher
addierte sich regelmäßig auf 20.000 bis 30.000.
Zum einen war es der Stadt gelungen, zugkräftige Politiker als
Festredner zu gewinnen. Zum anderen dürfte die größere Mobilität, die auch weiter
entfernten Pferdebesitzern die Möglichkeit gab und gibt, den Markt zu beschicken,
dann das Aussterben anderer Pferdemärkte, eine wiedererwachte Sehnsucht nach
der - vorautomobilen – "guten alten Zeit" und der zunehmende Bekanntheitsgrad
Berchings die Anziehungskraft des Rossmarkts gestärkt und sein Überleben gesichert
haben.
Wenngleich der Berchinger Rossmarkt erst 1926 eingeführt wurde, kann dennoch
von der Fortsetzung einer jahrhundertealten Pferdemarktgeschichte ausgegangen
werden. Nimmt man den Rossmarkt in seiner heutigen Form als große Pferdeschau,
so ist gegen einen Rückgriff auf das Jahr 1722, ja sogar auf das Jahr 1678 wenig
einzuwenden.
Damals wie heute wurden die Pferde nicht in erster Linie verkauft sondern "beschaut"
- wenn auch damals aus anderen Gründen.
30.01.11
Neumarkt: 100 Pferde und Seehofer