Teueres Bürgerbegehren ?
Umstritten: der "Neue Markt"
NEUMARKT. Der Stadtrat beschloß am Mittwochabend die "Zulässigkeit" des Bürgerbegehrens zum "Neuen Markt" - wissend, daß dies der Stadt Millionen kosten könnte.
Kommt das Bürgerbegehren nämlich durch, könnte die Firma Bögl die Stadt auf Schadensersatz im "siebenstelligen Bereich" verklagen, sagte Rechtsdirektor Jürger Kohler.
Bei vielen Stadträten sorgte die Beschlußvorlage für Kopfschütteln: "Kann man von einem Stadtrat verlangen, daß er dafür stimmt, daß wir wissentlich Millionen fürs Fenster rauswerfen", sagte Elfriede Meier und traf dabei offenbar den Nerv vieler ihrer Kollegen. Doch Alternativen gab es kaum: "Der Stadtrat hat keinerlei Ermessenspielraum", sagte Oberbürgermeister Thomas Thumann.
Nachdem über 2200 Bürger ihre Unterschrift für ein Bürgerbegehren geleistet haben, kann der Stadtrat die Zulässigkeit nicht ablehnen, sofern die formalen Voraussetzungen vorliegen.
Rechtsdirektor Jürger Kohler trug 50 Minuten lang die juristischen Spitzfindigkeiten zu dem beantragten Bürgerbegehren vor und vergaß auch nicht, manche Formulierungen als "durchaus fragwürdig" zu bezeichnen.
Den Stadträten blieb jedoch nicht anderes übrig, als das Bürgerbegehren zuzulassen, da andernfalls Klagen und damit erhebliche Zeitverzögerungen zu erwarten seien.
Jetzt sei es "Aufgabe der Parteien und der Politiker, dem Bürger klarzumachen, was dieses Bürgerbegehren bedeutet", sagte Kohler.
Er meinte damit das Risiko, daß Bauherr Bögl bei einer durch das Bürgerbegehren erzwungenen Reduzierung der Verkaufsfläche auf 5000 Quadratmeter von der Stadt Schadensersatz verlangen könne.
Mehrere Stadträte kritisierten heftig die bei der Unterschriften-Sammlung verwendete Fragestellung, wie zum Beispiel die Floskel "zur Erhaltung einer lebendigen Innenstadt". Zusammen mit dem Titel "Die Altstadt darf nicht sterben", werde der Eindruck erweckt, man wolle die Innenstadt umbringen, wenn man nicht unterschreibt, empörten sich mehrere Stadträte.
Helmut Jawurek (CSU) nannte die Fragestellung sogar eine "Verdummung".
Doch rein rechtlich gab es an den ersten beiden Fragen - die Beschränkung der Verkaufsfläche auf 5000 Quadratmeter und der Hotelzimmer auf unter 60 - im Bürgerbegehren nichts zu beanstanden, sagte Kohler. Bei der dritten Frage - für eine Erhöhung der Anzahl der Wohnungen - hatte der Jurist allerdings Bedenken, weil nämlich keine konkrete Zahl genannt wird.
Der Rechtsdirektor schlug den Stadträten vor, diese Frage zu streichen und dafür - um einer Klage zuvor zu kommen - den Wunsch direkt mit einem Stadtratsbeschluß zu erfüllen. Wenn der Stadtrat beschließt, "mehr Wohnungen" zu errichten, hat das kaum Konsequenzen, meinte Kohler spitzfindig: Schließlich habe es bislang keine Zahl von zu errichtenden Wohnungen gegeben. Eine einzige Wohnung sei damit auch schon "mehr"...
Das Bürgerbegehren soll am 25. September stattfinden, am Tag der Oberbürgermeisterwahl, um so Kosten zu sparen, war man sich einig. So einfach geht das aber gar nicht, wie Kohler sagte: Bürgerbegehren dürfen normalerweise nicht gemeinsam mit Kommunalwahlen durchgeführt werden - man brauche dazu eine Ausnahmegenemigung des Innenministeriums.
Eine solche Genehmigung hat man inzwischen auf den Dienstweg beantragt. Sie ist allerdings noch nicht aus München eingetroffen - die Frage des Termins ist also noch offen.
Rechtsdirektor Jürgen Kohler stellte in seinem Vortrag auch klar, daß er die damals öffentlich erhobenen Forderungen der Bürgerinitiave, die Stadt soll bis zum Start der Unterschriftensammlung den Text des Bürgerbegehrens rechtlich prüfen, für "recht unverschämt" hielt. Die Initiatoren könnten ja wohl nicht ernsthaft erwarten, daß ihnen die Stadtverwaltung ins Einzelne gehende rechtliche und taktische Ratschläge gibt, sagte Kohler. "Ich bin Mitarbeiter der Stadtverwaltung und nicht Rechtsberater der Bürgerinitaitive!"
Stadtrat Johannes Gloßner - einer der drei offiziellen Initiatoren des Bürgerbegehrens - versuchte die Ängste um Schadensersatz zu zerstreuen: da könne man bei Bögl eine "Kompensation" bei anderen Sachen erreichen. Dem widersprach OB Thumann vehement: dies sei ganz sicher nicht möglich.
29.06.11
Neumarkt: Teueres Bürgerbegehren ?