Christen vertrieben

NEUMARKT. 120 Besucher konnte Pfarrer i.R. Ernst Herbert im Katholischen Pfarrheim an der Saarlandstraße beim dritten Länderabend über Indien im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Weltweit diskriminierte und verfolgte Christen" begrüßen.

Nach der Hinführung zum Thema sprach Pfarrer Herbert mit dem aus Kerala in Südindien stammenden Pater Joseph Alangattunkaran. Nach einigen Jahren als Missionar in Nordindien entsandte ihn sein Orden zuerst an die Neumarkter Stadtpfarrkirche, um dann nach Beilgries zu wechseln. Er schilderte dem Plenum, welche Bedeutung der Apostel Thomas, der als Gründer der Kirche in Indien gilt, noch heute habe. Er informierte über die "Dalits", die sogenannten "Kastenlosen", die rund 200 Millionen der indischen Bevölkerung ausmachen.

Der christliche Glaube sei für diese von allen guten Berufen ausgeschlossenen Menschen deshalb besonders anziehend, weil sie vor Gott und in der christlichen Gemeinde als gleichberechtigte Brüder und Schwestern gelten würden.

Pater Joseph sagte, dass er längst nicht jeden Taufbewerber auf die Schnelle getauft habe. Ein ausführlicher Unterricht und eine längere Bewährungszeit innerhalb der Pfarrei seien die Voraussetzung für die Taufe, die die Mitgliedschaft in der Kirche begründe.

Mit Erschütterung hörten die Veranstaltungsteilnehmer von Dr. Otmar Oehring, dem Menschenrechtsbeauftragen von "missio", dass eine Mitte der 20iger Jahre des 20. Jahrhunderts entstandene nationalistische Hindu-Bewegung, die sich den Nationalsozialismus Adolf Hitlers und den italienischen Faschismus Mussolinis bis heute zum Vorbild erkoren hat. So wie Adolf Hitler das "judenfreie" Deutsche Reich mit der Judenvernichtung anstrebte, so woll die nationalistische Hindu-Partei in einigen Bundesstaaten, den "hindureinen"Staat – ohne Christen, ohne Muslime, ohne Buddhisten und ohne Atheisten, sagte Oehring.

Diese nationalistische Hindu-Partei war im Bundesstaat Orissa bis 2009 an der Regierung beteiligt und habe im Sommer 2008 die Vertreibung von mehr als 50.000 Christen angezettelt, deren Häuser zerstört oder abgebrannt worden sind - wie auch die Kirchen. Die Polizei sei an keiner Stelle eingechritten. Rund 100 Christen seien dabei getötet worden, ebenso wie die Hindus, die ihren christlichen Nachbarn zur Hilfe geeilt waren. Es habe "entsetzlich viele Massenvergewaltigungen" gegeben.

Nach der Flucht der Christen in die Berge und in die Wälder der Umgebung wurde die Versorgungslage und die medizinische Situation immer prekärer. In der Monsun-Zeit verwandelte sich die Böden, auf denen die Flüchtlingszelte errichtet worden waren, in große Schlammplätze. Ein nationales Hilfsprogramm der Bundesregierung Indiens kam erst nach einem Staatsbesuch des französischen Premiers Sarkozy sehr stockend in Gang. Die Rückkehr in die verlassenen Dörfer scheiterte daran, dass die Hindu-Bevölkerung den Christen keine Rückkehr erlaubte und schon gar nicht den Wiederaufbau ihrer zerstörten Häuser an alter Stelle, erzählte Oehring.

So entstanden neue Siedlungen mit ganz einfachen Häusern am Rand des jeweiligen Heimatdorfes. Viele der christlichen Flüchtlinge versuchten sich in anderen Bundesstaaten eine neue Existenz aufzubauen.

Die staatlichen Versprechen auf Wiedergutmachung und die juristischen Verfahren zur Erlangen von Schadensansprüchen seien nur selten erfolgreich. Die fehlenden Ausweise und das Fehlen von Dokumenten über die Zerstörung ihrer Häuser sei der Grund, dass ein Schadenersatz-Antrag vom Gericht erst gar nicht angenommen werde. Ein ganz großer Teil der Flüchtlinge wisse nicht, wie sie sich wieder eine neue Existenz aufbauen können.

Die katholischen und die evangelischen Kirchen samt den evangelikalen Freikirchen seien in dieser Not zusammengerückt. Es gäbe deshalb manchmal sogar Gottesdienste mit gemeinsamen Abendmahlsfeiern, "die bei uns in Europa reine Zukunftsmusik sind". Die Kirchengemeinden und Pfarreien würden trotz der politischen und gesellschaftlichen Ausgrenzung durch die Hindu-Mehrheit zahlenmäßig anwachsen.

Der Vertreibung von rund 50.000 Christen war einige Jahre vorher die Tötung vieler Muslime vorausgegangen. Die indische Bundesregierung tue nach Meinung des Referenten ganz eindeutig viel zu wenig, um die in der Verfassung stehende Gleichbehandlung aller Religionen zu gewährleisten.

Abgeschlossen wird die Veranstaltungsreihe am Mittwoch, 13. Juli, um 19 Uhr mit einem ökumenischen Gottesdienst in der Stadtpfarrkirche St. Johannes. Prediger sind der Eichstätter Bischof Dr. Gregor Maria Hanke und der evangelische Regionalbischof Dr. Hans-Martin Weiß.
09.07.11
Neumarkt: Christen vertrieben
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