"Sanierung fortführen"


Noch rauchen die Schlote
Fotos:Pfleiderer AG
NEUMARKT. Pfleiderer hat einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt. Und dem Vorstand wurde ein "Sachwalter" vor die Nase gesetzt.

Der Vorstand des Neumarkter Unternehmens hat am Mittwoch beim zuständigen Amtsgericht in Düsseldorf Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt, bestätigte das Unternehmen am Abend. Dieser Schritt war notwendig geworden, weil das Oberlandesgericht Frankfurt am Dienstag den Freigabeantrag im Zusammenhang mit Klagen gegen Beschlüsse der Versammlung der Hybridanleihegläubiger vom 20. Juni 2011 abgelehnt hatte (neumarktonline berichtete). Dadurch können die mit großer Mehrheit getroffenen Beschlüsse zu den geplanten Kapitalmaßnahmen nicht fristgemäß umgesetzt werden. Die im Rahmen des Restrukturierungskonzepts vorgesehene Entschuldung und Rekapitalisierung des Unternehmens sei auf diesem Wege nicht mehr möglich, hieß es.

Der Vorstand strebt nun die Sanierung der Pfleiderer AG im Wege eines Insolvenzplanverfahrens an. Das Insolvenzplanverfahren ermögliche eine zügige und rechtssichere Umsetzung der Restrukturierungsmaßnahmen und werde im Ergebnis ebenfalls zu der geplanten erheblichen Entschuldung der Pfleiderer AG führen, hieß es am Mittwochabend. Dazu habe der Vorstand bei Gericht die Eigenverwaltung beantragt.

Die Eigenverwaltung ermögliche es dem Vorstand, die Geschäfte unter der Aufsicht des Sachwalters fortzuführen und so die begonnene Sanierung zum Abschluss zu bringen. Das Gericht hat auf einstimmigen Vorschlag eines vorher bestellten vorläufigen Gläubigerausschusses am Mittwoch um 17 Uhr Rechtsanwalt Horst Piepenburg zum vorläufigen Sachwalter bestellt. Dessen Aufgabe sei die Überwachung des Vorstands im Hinblick auf die Einhaltung der insolvenzrechtlichen Vorschriften. Piepenburg gilt als Deutschlands größter Spezialist für Unternehmenspleiten und bekam von Zeitungen auch schon mal den Titel "Der Papst der Pleiten" verliehen.

Die Insolvenz betrifft lediglich die Pfleiderer AG als Holdinggesellschaft, nicht jedoch deren Tochtergesellschaften. In den Tochtergesellschaften ist das operative Geschäft der Pfleiderer-Gruppe gebündelt. Es sei organisatorisch und finanziell von der Obergesellschaft unabhängig.

Das operative Geschäft und die damit verbundenen Arbeitsplätze seien deswegen von der Insolvenz der AG nicht betroffen, bestätigte das Unternehmen. Die Pfleiderer AG beschäftigt derzeit nur zehn Mitarbeiter. In der gesamten Pfleiderer-Gruppe seien derzeit rund 4900 Mitarbeiter beschäftigt (inklusive der zum Verkauf stehenden Aktivitäten in Nordamerika), davon gut 2000 in Deutschland.


Hans-Joachim Ziems
Hans-Joachim Ziems, im Vorstand der Pfleiderer AG unter anderem für die Restrukturierung der Gruppe zuständig, erklärte am Mittwochabend: "Ich bedauere, dass wir die ursprünglichen Restrukturierungsbeschlüsse trotz der hohen Zustimmung aller Beteiligten nicht umsetzen konnten und damit die Altaktionäre und Anleihegläubiger nicht mehr an der erfolgreichen Restrukturierung von Pfleiderer partizipieren werden. Nun wird Pfleiderer über ein Insolvenzplanverfahren den Sanierungskurs fortsetzen. Pfleiderer ist auf diese Situation gut vorbereitet. Insbesondere die von uns beantragte Eigenverwaltung ist dabei eine gute Nachricht für die Mitarbeiter und alle Standorte. Sie wird uns ermöglichen, die bereits weit fortgeschrittene und operativ überaus erfolgreiche Sanierung rechtssicher und ohne weiteren Verzug zum Abschluss zu bringen".

Rechtsanwalt Piepenburg hat noch am Mittwochabend seine Tätigkeit aufgenommen: "Die Insolvenz bietet alle Chancen, die Pfleiderer AG als Holding zu erhalten. Mit den im Vorfeld bekannt gewordenen Sanierungsbeiträgen kann ein Insolvenzplan sehr zügig umgesetzt werden", erklärte er.

Im vergangenen Jahr hatte die Pfleiderer AG ein umfassendes Restrukturierungskonzept entwickelt, auf Basis dessen das Unternehmen massiv entschuldet und rekapitalisiert worden wäre. Voraussetzung für die Umsetzung des Konzepts waren wesentliche Beiträge aller Beteiligten: der Kreditgeber ebenso wie der Aktionäre und Gläubiger einer 2007 begebenen Hybridanleihe.

Die Pfleiderer finanzierenden Banken und Investoren hatten einem erheblichen Verzicht auf ihre Forderungen sowie der Bereitstellung neuer Finanzmittel zugestimmt, dies allerdings unter der Maßgabe, dass die Aktionäre einem drastischen Kapitalschnitt sowie einer anschließenden Kapitalerhöhung zustimmen. Die Hybridanleihegläubiger sollten auf ihre Ansprüche aus der Anleihe vollständig verzichten und im Gegenzug einen Anteil an der rekapitalisierten Gesellschaft erhalten. All dies war mit dem erfolgreichen Abschluss einer Gläubigerversammlung sowie einer außerordentlichen Hauptversammlung im letzten Jahr auf den Weg gebracht. Nachdem einzelne Anleger gegen die Beschlüsse geklagt hatten, konnten diese jedoch nicht wie geplant umgesetzt werden.

Durch so genannte Freigabeverfahren hatte die Gesellschaft versucht, eine rechtwirksame Eintragung der Beschlüsse trotz des laufenden Hauptsacheverfahrens zu ermöglichen. Mit der Ablehnung des Oberlandesgerichts Frankfurt ist dies jedoch gescheitert. Nun wird über ein Insolvenzplanverfahren in Eigenverwaltung die Sanierung der Pfleiderer-Gruppe angestrebt.

Neben den Kapitalmaßnahmen hatte das Unternehmen im Rahmen des Konzepts ebenfalls eine Reihe von operativen Restrukturierungsmaßnahmen vorgesehen und bereits auch weitgehend umgesetzt. Hierbei erzielte Pfleiderer bereits erhebliche Fortschritte, hieß es. So wurde die operative Restrukturierung in Westeuropa bereits im vergangenen Jahr abgeschlossen. Im operativen Geschäft verzeichnete Pfleiderer im Business Center Westeuropa im Jahr 2011 eine deutliche Ergebnisverbesserung. Auch bei der geplanten Veräußerung der Nordamerika-Aktivitäten konnte mit dem Ende 2011 erfolgten Verkauf des Werks in Moncure in den USA ein wichtiger Teilerfolg erzielt werden.

Gewerkschafter äußerten sich vorsichtig optimistisch. Er habe schon den Eindruck, daß Chefsanierer Ziems und die Investoren Pfleiderer und die Arbeitsplätze "ernsthaft retten wollen", sagte ein Sprecher der IG Metall.
28.03.12
Neumarkt: "Sanierung fortführen"
Telefon Redaktion


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