Gedanken zum Karfreitag
Von Dekan Monsignore Richard Distler
Mit dem Karfreitag tun sich heute so manche Leute ziemlich schwer. Für viele ist dies ein "dunkler Feiertag". Und as gibt es da überhaupt zu feiern? Das Kreuz, eine Kreuzigung, das Leiden, die Schmerzen, die Leidensgeschichte: Kann man so was überhaupt feiern? Von Leidensgeschichten hören wir doch jeden Tag genug, sei es in der eigenen Familie, in der Nachbarschaft, im Dorf, in der Stadt, in der Straße und in den Nachrichten: Wieder ein Unglück mit vielen Toten: Ein Erdrutsch, ein Tornado, ein Vulkanausbruch, ein Grubenunglück, eine Massenkarambulage oder ein feiger Mord: Todesnachrichten und Leidensgeschichten ohne Ende. Das reicht doch. Warum dann zusätzlich noch einen eigenen "dunklen Feiertag"? Warum noch einen extra Feiertag zum Tod eines Mannes, den man vor etwa 2000 Jahren hingerichtet hat? Ist das nur für Christen wichtig?
Aus christlicher Sicht ist der Feiertag Karfreitag für alle Menschen wichtig. Aber warum?
Dieser dunkle Feiertag ist der Tag, an dem wir Gottes abgrundtiefe Solidarität mit uns Menschen feiern, allen voran Gottes Mitleiden mit allen Leidenden, Geschundenen, Geschlagenen und Verwundeten dieser Erde. Jesus, der Gottessohn lässt sich am Ende seines Lebens nicht mit einem goldenen Wagen oder auf den Händen einer Heerschar von Engeln in den Himmel tragen. Nicht einmal vor dem Kreuz flieht er, auch nicht vor dem Leiden und vor dem Tod. Er nimmt ihn an. Er steigt hinein ins Dunkel, mitten hinein in die Todesangst und mitten hinein in menschliche Abgründe. Dort hält er aus, scheut nicht das dunkelste Dunkel und wird zum "heruntergekommenen Gott".
Aber warum tut er das? Ich denke, es sind 3 Gründe: Der erste wurde schon genannt. Es ist Gottes Solidarität mit allen Leidenden und Sterbenden dieser Erde, auch mit denen, die millionenfach in den KZ s der Nazis und in den Gulags der Kommunisten brutal ermordet wurden. Der zweite Grund ist die Tatsache, dass es Gott das Herz umdreht, wenn Menschen Schlimmes tun und Schuld auf sich laden. Wenn es beim Propheten Jesaja heißt: "Er, der Knecht Gottes, wurde durchbohrt wegen unserer Sünden. All unsere Schuld hat er auf sich geladen", dann ist für uns Jesus dieser Gottesknecht. Er hängt am Kreuz, um den "Störfall der Sünde" wieder gut zu machen.
Deshalb ist für Christen das Kreuz, auch in einem Klassenzimmer oder Gerichtssaal, nichts Störendes oder Niederdrückendes, sondern etwas Heilendes, Erlösendes und Befreiendes. Der dritte Grund für den Abstieg Gottes in unser Dunkel und in unseren Tod ist die Verwandlung des "alten" in den "neuen Menschen". Die Ideologen und Aufklärer aller Jahrhunderte träumten von der "Schöpfung des neuen Menschen". Die einen probierten es mit Hilfe von Wissenschaft und Technik, andere mit zweifelhaften Methoden der "Umerziehung" oder gar mit Methoden der Gewalt. Demgegenüber setzt Jesus auf die Schaffung des neuen Menschen durch Gewaltlosigkeit, Liebe und durch die Annahme der Erlösung. Ich denke, wer sich auf diesen Weg einläst, für den ist der Karfreitag kein "dunkler Feiertag". Für den ist er ein Tag, wo die göttliche Liebe endgültig alles Dunkel dieser Welt durchbrochen und wo sich für die ganze Menschheit ein neuer Morgen angekündigt hat, der Ostermorgen.
28.03.13
Neumarkt: Gedanken zum Karfreitag