Gedanken zum Osterfest
Von Dekan Monsignore Richard Distler
Ausländer bewundern an uns Deutschen immer noch besondere Tugenden wie Pünktlichkeit, Sauberkeit, Gründlichkeit oder die Fähigkeit, beste Maschinen und Produkte herzustellen. Was an uns kritisiert wird, ist, dass wir manchmal schnell zur Hysterie neigen, zur Übertreibung oder zur Angst vor allem Möglichen: Obwohl wir in einem klimatisch günstigen Land leben und eine der stabilsten und freiheitlichsten Demokratien haben, scheint bei uns manchmal schon dann die Welt unterzugehen, wenn irgendwo demonstriert wird, wenn das Wetter verrückt spielt, wenn irgendwo eine Seuche ausbricht oder gar schon, wenn eine beliebte Fernsehsendung zu Ende geht. Manchmal scheint es gar so zu sein, dass wir uns in solchen Ängsten und Hysterien fast wohl fühlen.

Da frag ich mich: Suchen wir eigentlich noch nach Antworten, wenn es um die größte aller Ängste geht, um die Urangst unseres Daseins, um die Angst vor dem Tod? Was investieren wir eigentlich gegenüber dieser Ur-Angst? Nicht wenige versuchen, diese Angst aller Ängste und die Tatsache des Todes irgendwie zu verdrängen. Sie stürzen sich ins volle Leben, setzen vor allem aufs Materielle oder genießen einfach das Leben. Auch der christliche Glaube hat nichts gegen Lebensgenuss, ja er ist sogar so etwas wie eine Kraftquelle für echte Lebensfreude.
Doch gleichzeitig hindert uns solche Freude nicht daran, sich auch ganz bewusst auf den Tod einzustellen. Manchmal bin ich schon ein wenig überrascht, wenn ich bei Trauergesprächen auf die Frage: Haben Sie mit Ihrem Angehörigen auch über den Tod gesprochen, die Antwort bekomme: "Nein, dazu kam es nicht". Manchmal wäre ein solches Gespräch sogar eine Hilfe beim Sterben und eine Hilfe, loslassen und in Würde Abschied nehmen zu können. Da liegt ein Mensch vielleicht schon wochenlang da zwischen Leben und Tod, da hat jemand eine Krankheit, die wirklich unheilbar ist und keiner der Angehörigen wagt es, auch mal über den Tod zu sprechen. Wäre es nicht ein großer Trost und eine Hilfe für die Sterbenden, wenn wir sie über die dunkle Schwelle des Todes begleiten würden, ihnen wenigstens ein Stück Angst vor dem Tod nehmen und ihnen Hoffnung geben durch den Glauben an die Auferstehung? Aber woher nehmen wir diese Hoffnung? Diese Hoffnung gibt uns Ostern. Aber warum gerade Ostern?
Mir ist aufgefallen, dass es in allen Ostererzählungen des Neuen Testaments immer wieder heißt: "Fürchtet euch nicht!" Dies sagt der Engel am Grab Jesu zu den erschrockenen Frauen und dies spricht der auferstandene Christus zu den total verängstigten Jüngerinnen und Jüngern. So als wollte er sagen: "Fürchtet euch nicht, denn ich habe die Schlüssel des Todes und der Unterwelt. Mehr noch: Ich hab dem Tod den Stachel gezogen, ich hab ihn besiegt. Gott, mein und euer Vater, hat mich zu einem neuen, verwandelten und ewigen Leben auferweckt!"
Aber vielleicht kommt uns jetzt das berühmte Wort aus Goethes "Faust" in den Sinn, wenn Faust bekennt: "Die Botschaft hör ich wohl, allein, mir fehlt der Glaube!" Der auch uns oft fehlende Osterglaube wird uns vor allem durch die vielen Auferstehungszeugen der Evangelien, der Apostelgeschichte und der Paulusbriefe bezeugt und dies mehr als glaubwürdig. Der Apostel Paulus bekennt sogar: Ohne die Tatsache der Auferstehung Christi ist unser Glaube leer und unsere Predigt sinnlos. Im ersten Korintherbrief zählt Paulus sogar eine längere Liste von Aposteln und Jüngern auf, denen der Auferstandene erschienen ist, bis hin zu "500 Brüdern". Er hat ihnen gezeigt, dass er wirklich lebt, wenn auch nicht in irdischer Form, so doch in einer verklärten und verwandelten Art und Weise.
Der Osterglaube also kein Phantasieprodukt einzelner Jünger oder Frauen? Der Osterglaube, damals wie heute eine unerschöpfliche Kraft gegenüber der Angst vor dem Tod und eine Hoffnung für das, was danach kommt? Mehr noch: Der Osterglaube, so etwas wie ein Lebenselexier, das uns hilft, froher zu leben, leichter auch das Leben loszulassen und bewusster eines Tages auch den Tod anzunehmen? Ostern also die zentrale Mitte des christlichen Glaubens, des Glaubens an den Christus., der jeden, der an ihm festhält, auch trotz des Todes ins Leben holt, in ein Leben, das nicht mehr stirbt. Gewiss klingt solcher Glaube nahezu verrückt und ziemlich paradox. Aber wer den Mut hat, dennoch daran festzuhalten und dem glaubwürdigen Zeugnis der vielen Augenzeugen zu vertrauen, dem kann Unglaubliches und Ungeahntes geschenkt werden.
19.04.14
Neumarkt: Gedanken zum Osterfest