Gedanken zum Karfreitag

Von Dekan Monsignore Richard Distler

Entsetzen, Betroffenheit, ja Erschütterung erfasste nahezu ganz Deutschland vorige Woche beim Absturz eines Flugzeug in den französischen Südalpen. 150 Menschen fanden einen jähen Tod, darunter auch eine Schulklasse.

Die tiefe Trauer schlug auch noch in Wut um, als für die Ursache des Unglücks sogar menschliches Versagen, ja womöglich sogar Vorsätzlichkeit vermutet wird.

Da wurde nochmals ein Stein mehr draufgelegt. Der Traum vom Fliegen kann schön sein. Aber umso schrecklicher, wenn er von der Realität eines solchen Unglücks eingeholt wird.

Bei der oft gestellten Frage: Warum musste das geschehen, kommt auch der Glaube in Erklärungsnot.

Am Tod zerbrechen unsere Illusionen und der Schmerz scheint in einem solchen Fall stärker zu sein als der Glaube. Ist er auch stärker als Gott?

Viele Weltanschauungen und Religionen können mit einem leidenden Gott nichts anfangen. „Gedenke o Mensch des Welterlösers Tod“, singt der Kirchenchor unserer Hofkirche in der Karfreitagsliturgie. Aber bleibt nicht der Kreuzestod des Welterlösers und Gottessohn Jesus Christus gerade vielen Menschen ziemlich fremd? Kann es wirklich sein, dass Gott in diesem Jesus soviel Schreckliches gelitten hat oder gar leiden wollte und musste? Kann es sein, dass im Kreuz Heil, Leben und Hoffnung ist? Gläubige Menschen legen dieses Bekenntnis ab und das nicht nur am Karfreitag. Aber eine andere Hoffnung und ein anderes Bekenntnis haben wir nicht. Der christliche Glaube versucht, der Schrecklichkeit des Todes ins Gesicht zu schauen. Unentwegt bekennt die Gemeinde in jeder Eucharistiefeier: „Deinen Tod oh Herr verkünden wir und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit!“ Immer neu versucht der Glaube, das Leiden und Sterben des Menschen mit dem Leiden und Sterben des Christus zu verbinden. Wir dürfen uns gleichsam an ihn dranhängen. Aber warum? Hat nicht gerade Jesus am Kreuz gebetet: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“


In der Passionsgeschichte der Evangelisten sind uns diese Worte sogar in der aramäischen Muttersprache Jesu überliefert. Wer diesen Psalm 22 aber genau kennt, der weiß, dass er nicht mit der Gottverlassenheit endet, sondern mit einem Lobpreis auf die Heilstaten Gottes und mit einem tiefen Gottvertrauen: „Denn er verabscheut nicht das Elend der Armen, er verbirgt sein Gesicht nicht vor ihm und er hat auf sein Schreien gehört!“ Hat Gott auch auf die Todesschreie der Flugzeuginsassen am vorigen Dienstag gehört? Wir wissen es nicht, wir können es nur vermuten und daran glauben. Denn seit dem Tod des Gottessohnes solidarisiert sich Gott zutiefst mit allen in Schmerz, Leid und Todesangst. Betet nicht gerade Jesus selbst in der Ölbergnacht: „Abba, Vater, alles ist dir möglich. Nimm diesen Kelch von mir, aber nicht, was ich will, sondern was du willst, soll geschehen!“ Jesus ist also einer, der zwar innerlich kämpft, der sich aber durchringt und seine Passion annimmt.

Wie aber dann mit dem eigenen Tod umgehen? Der geistliche Schriftsteller Konrad Weiß meint: „Der Tod verbirgt sich schon in unserer Lebenszeit, zugleich aber auch Gott und seine Ewigkeit“. Aber möchten wir nicht manchmal Gott total raushalten aus unserer Zeit, raushalten aus Familie, Beruf und Freizeit, in der Meinung, er dürfe erst dann auftreten, wenn der letzte Vorhang fällt. Konrad Weiß meint aber, jetzt mitten in unserer Zeit ist schon die Ewigkeit angebrochen. Der Tod ist dann nicht „Exitus“, wie die Mediziner sagen, sondern „Pas-cha“, also Vorübergang des Herrn. Oder kurz: Der Tod geht vorbei und Gott ist im Kommen. Diese Gedanken sind mir einmal gekommen, als ich auf der Intensivstation unseres Klinikums das Sterben eines Menschen miterlebte. Nach den letzten Atemzügen war auf dem Monitor nur noch eine Strich zu sehen. Doch dann hieß es: „Bitte umschalten auf das Hauptmenü!“ Ist dann wohl das Hauptmenü, so dachte ich, dass sich im Sterben die Ankunft Gottes und die Auferstehung verbirgt, also das Ende allen Leids und allen Entsetzens?
03.04.15
Neumarkt: Gedanken zum Karfreitag
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