Am Mittwoch fand das Ernte-Gespräch des Bauernverbandes statt. Unser Archiv-Foto stammt aus dem Vorjahr
NEUMARKT. Die Ernte-Erwartungen der Bauern in der Region sind sehr unterschiedlich, hieß es beim Ernte-Gespräch am Mittwoch.
Nach den Hitzetagen freut man sich in der Landwirtschaft über jeden Tropfen Regen: vor allem das Wetter beeinflusst den Ertrag und die Qualität.
Die Witterungsverhältnisse in diesem Jahr sind wieder ein entscheidender Faktor für eine erfolgreiche Ernte 2015, sagte BBV-Bezirkspräsident Franz Kustner beim Ernte-Pressegespräch des Bayerischen Bauernverbandes im Bezirksverband Oberpfalz. Dabei war der Vegetationsverlauf bis Ende Juni in Südbayern hervorragend. Vor allem die Verteilung der Niederschläge hat sich positiv auf alle landwirtschaftlichen Kulturen ausgewirkt. Jedoch machten die Hitzetage seit Anfang Juli vielen Feldfrüchten schwer zu schaffen. Deshalb waren die Niederschläge in der vergangenen Woche für die meisten Bestände sehr wertvoll.
Im gesamten Vegetationsverlauf kann die Natur viel ausgleichen, sagte Bezirkspräsident Kustner, aber durch Extremereignisse, wie zum Beispiel Starkregen und Hagel, können hohe Ertragsverluste entstehen. Insbesondere die anhaltende Hitzeperiode vor der Erntezeit kann sich noch mit größeren Ertrags- und Qualitätsverlusten, speziell beim Weizen und Braugerste, sehr negativ auswirken. Welche Mengen und Qualitäten die Getreideernte 2015 bringen wird, so Kustner, werde man erst wissen, wenn das Getreide gewogen in der Scheune ist.
Insgesamt stehen in der Oberpfalz über 150.000 Hektar Getreide zur Ernte an. Damit ist die Region eine der umfangreichsten Anbaugebiete in Bayern, betont Kustner. Die Wintergerste ist fast vollständig geerntet und es wurden in der Oberpfalz sehr gute Erträge mit hervorragenden Qualitäten gedroschen. Dagegen haben die Hitzetage Anfang Juli beim Winterweizen und dem Sommergetreide einen richtigen Schock verursacht, so Betriebsleiter Franz Deml. Der Hofnachfolger Stephan Deml berichtet, dass die Getreidebestände durch die gute Wasserversorgung eine flache und geringe Wurzelbildung hatten und bei den Hitzetagen regelrecht zusammengebrochen sind und die frühzeitige Reife einsetzte. Deshalb wird vor allem bei Winterweizen nur mit mäßigen Erträgen und Qualitäten gerechnet, so die Einschätzung von Stephan Deml.
Die globalen Warenterminmärkte in Chicago aber auch Paris rechneten zuletzt mit einem Höhenflug der Getreide- und Rapspreise. Während es in vielen Teilen Deutschlands – vor allem auch in Franken – zu trocken ist, gibt es im Mittleren Westen der USA, im Getreidegürtel extremes Regenwetter. Höhere Erzeugerpreise sind für die Bauern auch notwendig, betont Präsident Kustner. Vor allem Betriebsmittel, wie Dünger, Pflanzenschutz und Energiekosten, sind in den letzten Jahren stark gestiegen. Deshalb sind grundsätzlich höhere Marktpreise bei allen Feldfrüchten zur Vollkostendeckung notwendig.
Die erwarteten Steigerungen der Erzeugerpreise bei Getreide hätten aber keinen Einfluss auf die Brotpreise. Denn der Landwirt erhalte von jeder Semmel durchschnittlich weniger als einen Cent. Selbst eine Verdoppelung des Getreidepreises würde daher nur zu marginalen Auswirkungen auf den Brotpreis führen. Beim Kauf von Mischbrot betrage der Anteil für das Getreide vom Bauern nur fünf Prozent.
Gleichzeitig machte BBV-Bezirkspräsident Franz Kustner bei einer Aktion in Neunburg vorm Wald auf das "Multitalent Ackerfläche" aufmerksam. Auf einem Quadratmeter Weizen würden 15 Semmeln entstehen, aus einem Quadratmeter Raps können 170 Milliliter Öl (bei einem Ölgehalt von 42 Prozent) oder 0,3 Liter Biodiesel gepresst werden. Gleichzeitig fallen dabei noch 250 Gramm wertvolles Eiweißfutter für die Tierhaltung an. Von einem Quadratmeter mit Kartoffelacker werden vier Kilo Speisekartoffeln geerntet. Daraus können zwei Kilo Pommes frites oder 1,2 Kilo Kartoffelchips hergestellt werden.
Die Ackerfläche sei nicht vermehrbar, sagte Kreisobmann Johann Wilhelm. Um die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln und nachwachsenden Rohstoffen auch in Zukunft zu sichern, müsse der Flächenverbrauch eingeschränkt werden und die wachsende Bevormundung der Grundstückseigentümer und Bewirtschafter ein Ende haben, forderte BBV-Bezirkspräsident Kustner. Insbesondere bei Großbau-Maßnahmen ist ein sparsamer Umgang mit landwirtschaftlicher Nutzfläche notwendig. Bei allen Planungen müsse die landwirtschaftliche Nutzfläche wieder einen höheren Stellenwert und die landwirtschaftliche Nutzung auch bei Ausgleichsmaßnahmen eine entsprechende Anrechnung erhalten.
Mit einer ganz besonderen Aktion wurde auf dem Kartoffelacker der Familie Deml noch auf die Veränderungen der Verzehrgewohnheiten der Bundesbürger aufmerksam gemacht. In den 50er Jahren lag der durchschnittliche Kartoffelverbrauch in Deutschland noch bei 190 Kilo im Jahr. Aktuell werden noch 60 Kilo Kartoffel von unseren Verbrauchern im Jahr gegessen. Dabei wird bereits die Hälfte in Form von Verarbeitungsprodukten wie Pommes Frites oder Kartoffelchips gekauft. Der Anteil der Frischkartoffeln beträgt nur noch rund 30 Kilo. Deshalb ist auch die Kartoffelanbaufläche in Bayern im Zeitraum 1950 bis 2015 von 304.000 auf weniger als 40.000 Hektar zurückgegangen.