
Der Johanneschor aus Münnerstadt gestaltete zusammen mit der Werkvolkkapelle das musikalische
Rahmenprogramm.
Glocken des Papstes läuteten fürs Friedenskreuz

Am Ehrenmal der Kriegsgräbergedenkstätte legt der Generalkon-
sul der russischen Föderation Liniewitsch (Mitte) einen Kranz
nieder. Botschaftsangehörige und Oberbürgermeister Alois Karl
sowie Bürgermeister Arnold Graf verharren schweigend.
Fotos: Erich Zwick
NEUMARKT. Es war wohl eine glückliche Fügung, dass just in dem Augenblick, als zu Ehren der Amtseinsetzung des neuen Papstes Benedikt XVI. die Glocken der Stadt zu einem mächtigen Vielklang anhoben, das Friedenskreuz im Park an der Wolfsteinstraße seinen kirchlichen Segen erhielt - von dem katholischen Dekan Richard Distler, von seinem evangelischen Amtsbruder Dr. Wolfgang Bub, vom Pater der Ostkirche, Professor Dr. Hohmann, OSA und von dem Gemeindegeistlichen, Pfarrer Josef Albrecht. Ein Signal der Ökumene vom Schafhof in Neumarkt in Richtung Petersplatz in Rom?

Zeitzeugen entzünden Kerzen am Friedenskreuz.
"Erinnern - Gedenken - Mahnen" - unter diesen Leitgedanken stellte Oberbürgermeister Alois Karl seine besinnlichen Worte unter dem schlichten Friedenskreuz, das aus den Balken der ehemaligen Notkirche, der Vorgängerin der Hl. Kreuz-Kirche, errichtet wurde. Unter diesem christlichen Symbol begrüßte das Stadtoberhaupt die Repräsentanten derer, die hier ein hartes Los ertragen mussten: Seine Exzellenz den Konsul der Russischen Föderation Liniewitsch vom russischen Generalkonsulat in München, den Leitenden Colonel der

Geistliche dreier Weltkonfessionen: Pater Prof. Dr. Gregor Hoh-
mann, OSA, als Repräsentant der Ostkirche, die Dekane Dr. Wolf-
gang Bub und Richard Distler sowie Pfarrer Josef Albrecht.
Streitkräfte der Vereinigten Staaten von Amerika, David Witty, einen Vertreter der wenigen Lager-Überlebenden aus den Niederlanden, die Geistlichkeit und natürlich all jene, die jetzt den geschichts- und schicksalsträchtigen Stadtteil mit Leben erfüllen - die Bewohner des Stadtteils Labersricht mit der Siedlung Wolfstein.
Mehr als nur eine Geste war das Erscheinen der Abordnungen der Bundeswehr, der US-Soldaten des Truppenübungsplatzes Hohenfels, der Traditionskameradschaften, der Vereine und der Ehrengäste, unter denen der Bundestagsabgeordnete Rudolf Kraus besonders hervorzuheben ist.

Oberbürgermeister Alois Karl und Bürgermeister Arnold Graf bei
der Enthüllung der Gedenktafeln.
Ohne die Greueltaten der Hitler-Zeit zu verniedlichen oder gar zu beschönigen, erinnerte Oberbürgermeister Alois Karl mutig daran, dass die Täter aus jener schrecklichen Zeit nur noch eine Minderheit seien. "Die Nachgewachsenen, die heute in der Verantwortung stehen, sind aufgerufen, neue Schwerpunkte des Erinnerns zu setzen", betonte das Stadtoberhaupt. "Unsere Aufgabe ist es auch", fuhr Alois Karl fort, "das Bekenntnis hier in Neumarkt und vor der ganzen Welt abzulegen, dass sich solche Ereignisse, wie im Dritten Reich, der Nazi-Diktatur, dem Zweiten Weltkrieg dem Holocaust nie wieder ereignen dürfen."

Oberbürgermeister Alois Karl, Konsul Liniewitsch und Bürger-
meister Arnold Graf mit dem Kranz der russischen Konföderation
auf dem Weg zum Ehrenmal.
Fotos: Erich Zwick
"Das Lager auf dem Wolfstein hat das Leid, die Not und die Verzweiflung der ausländischen Zwangsarbeiter genauso gesehen wie jenes der vielen deutschen Heimatvertriebenen und Kriegsflüchtlinge und hat dann den Aufstieg dieser Siedlung, dieser Stadt und dieses Landes erlebt, das man mit einem Wunder - dem Wirtschaftswunder - verglichen hat", kam dem Redner in den Sinn, "wenn man hier diese Umgebung des kleinen Hains, die Barackensiedlung in Gedanken vor sich hat und das Friedenskreuz jetzt bestärkend im Rücken."
Alois Karl erinnerte an das Jahr 1942, als hier ein großes Durchgangslager für ausländische Zwangsarbeiter, vornehmlich aus dem Osten, errichtet wurde. 128.000 Zwangsarbeiter durchliefen die 33 Holz- und fünf Steinbaracken, ehe sie auf den gesamten nordostbayerischen Raum verteilt wurden. Wie viele Zwangsarbeiter das Kriegsende nicht erlebt haben, ist nirgends festgehalten. Fest steht aber, dass am Wolfstein 1.548 Männer, Frauen und Kinder verstorben sind. "Wir trauern um sie, wir verneigen uns in großer Demut und schämen uns, dass in unserem Lande so etwas passiert ist", bekannte der Oberbürgermeister, der von einer "kollektiven Scham", nicht aber von einer "kollektiven Schuld" sprach, aber gleichzeitig auch davon, "dass das Gedenken an die 60 Millionen Kriegstoten kein Abhaken dulden kann."
Und vielleicht die wichtigste Botschaft der Feierstunde aus dem Munde eines Nicht-Theologen: "Wenn wir uns im Zeichen des Friedens und des Friedenskreuzes treffen, dann wissen wir, dass wir einander vergeben können."
Als eine große Geste des Vergebens war auch die Kranzniederlegung durch den russischen Konsul Liniewitsch auf dem Kriegsgräberfriedhof am Föhrenweg zu verstehen, wo 5.049 Tote aus Ost- und Südosteuropa ihre letzte Ruhestätte gefunden haben.
Erich Zwick