"Irreversibel beschädigt"

NEUMARKT. Die "unendliche Geschichte" um die Straßenausbaubeiträge in der westlichen Altstadt ist offenbar noch lange nicht vorbei.

Der Stadtrat hatte seinerzeit beschlossen, auf diese Beiträge zu verzichten, weil in vergleichbaren Gebieten der Altstadt auch verzichtet worden war. Oberbürgermeister Thomas Thumann hatte damals (zusammen mit CSU-Stadtrat Arnold Graf) dagegen gestimmt, weil er rechtliche Folgen für die Stadt fürchtete - schließlich könnten ja dann auch Neumarkter Bürger außerhalb der Altstadt den Erlaß solcher Gebühren verlangen (wir berichteten vielfach).

neumarktonline berichtete vor zwei Wochen, daß die Rechtsaufsicht der Regierung der Oberpfalz am Stadtratsbeschluß grundsätzlich nicht viel auszusetzten habe: er sei keineswegs rechtswidrig, allerdings wollte man in Regensburg der Begründung nicht ganz folgen und riet, die Sache noch einmal im Stadtrat zu diskutieren und mit einer mehr wasserdichten Begründung zu entscheiden (Bericht hier).

Im Neumarkter Rathaus sah man die Angelegenheit anders: am Freitag gab man eine umfangreiche Stellungnahme ab, in der man sich auch die eigenen Mitarbeiter sorgt. Durch die Entscheidung des Stadtrates zum Pauschalerlass seien Mitarbeiter der Stadtverwaltung, die in ihrem Aufgabenbereich entsprechend ihrem gesetzlichen Auftrag Beiträge und Gebühren von den Bürgern erheben müssen, bereits in erheblichem Maße "irreversibel beschädigt", heißt es in der Mitteilung.

Die Mitteilung im Wortlaut:

Die Stadtverwaltung hat die Stellungnahme der Regierung d. OPf. vom 28.02.2011 zum pauschalen Erlass von Straßenausbaubeiträgen in der westlichen Altstadt der Stadt Neumarkt i.d.OPf. geprüft und kann hierzu folgende Feststellungen treffen:

Nach Auffassung der Regierung d. OPf. war der Beschluss des Stadtrates vom 17.09.2009 über den pauschalen Erlass der Straßenausbaubeiträge fehlerhaft, da er rechtlich nicht ordnungsgemäß begründet war. Ein Vergleich der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen der westlichen Altstadt nach Kommunalabgabengesetz (KAG) mit der aufgrund eines Stadtratsbeschlusses aus dem Jahr 2002 unterbliebenen Forderung von Ausgleichszahlungen nach Baugesetzbuch (BauGB) in anderen Altstadtbereichen sei aufgrund der rechtlich unterschiedlichen Sanierungsverfahren nämlich absolut nicht zulässig. Die Beanstandung des "Erlass-Beschlusses" des Stadtrates durch den Oberbürgermeister nach den Vorschriften des Kommunalrechts war völlig berechtigt, so dass es auch durchaus richtig war, den Vollzug dieses Beschlusses auszusetzen. Die Regierung d. OPf. stellt ebenfalls ausdrücklich fest, dass die Stadtverwaltung die Beitragserhebung in der gesamten Altstadt "in korrekter Anwendung der maßgeblichen Rechtsvorschriften" durchgeführt hat, so dass "die Widerspruchsführer in den anhängigen Widerspruchsverfahren voraussichtlich unterlegen wären. Ein (Pauschal-) Erlass führt nicht dazu, dass die eingelegten Widersprüche gegen die Beitragsbescheide erfolgreich sind".

Die Regierung d. OPf. ist allerdings der Auffassung, dass die fehlerhafte Begründung des Erlass-Beschlusses vom 17.09.2009 u. U. durch erneute Beschlussfassung im Stadtrat heilbar wäre. Sie sieht eine "sachliche Unbilligkeit" im Sinne des § 227 Abgabenordnung (AO) für die die Beitragserhebung in der westlichen Altstadt gerade darin, dass durch die rechtlich gebotenen unterschiedlichen Abrechnungsverfahren der Gedanke der "Gerechtigkeit der Abgabenerhebung" verletzt sein könnte.

Gleichwohl gibt die Regierung d. OPf. allerdings den Stadträten zu bedenken, dass sie bei einer erneuten Beschlussfassung zu einem Pauschalerlass der Straßenausbaubeiträge für die westliche Altstadt unbedingt die Auswirkungen auf den Vollzug der Beitragssatzungen im gesamten Stadtgebiet berücksichtigen sollten, denn "es dürfte nicht auszuschließen sein, dass sich (künftige) Beitragspflichtige unter Berufung auf diesen Beschluss an die Stadt wenden können". Darüber hinaus legt die Regierung d. OPf. den Stadträten auch nahe, bei ihrer erneuten Entscheidung über den Pauschalerlass zu überlegen, ob es sich "die Stadt leisten kann oder will" (ohne Rechtsgrund) "auf eine Beitragssumme von ca. 360.000 Euro einfach zu verzichten."

Die Stadtverwaltung ist der Auffassung, dass die Entscheidung des Stadtrates zum Pauschalerlass diejenigen Mitarbeiter/innen der Stadtverwaltung, die in ihrem Aufgabenbereich entsprechend ihrem gesetzlichen Auftrag Beiträge und Gebühren von den Bürgern erheben müssen, bereits in erheblichem Maße irreversibel beschädigt hat.

Es stellt sich die Frage, wie diese Mitarbeiter den künftigen Beitragspflichtigen bei der gesetzlich vorgeschriebenen Kostenabrechnung von städtischen Straßenbaumaßnahmen noch begegnen sollen. Auf die Stadtverwaltung und schließlich die Stadträte wird bei einer etwaigen erneuten Entscheidung für einen Pauschalerlass in der westlichen Altstadt eine Flut von Erlassanträgen von Straßenanliegern außerhalb der Altstadt zukommen, die sich durch den Pauschalerlass für einen kleinen Kreis von Beitragspflichtigen im Stadtgebiet bei Erhalt ihrer Beitragsbescheide ebenfalls ungerechtfertigt behandelt sehen werden.

Zur Vorbereitung einer erneuten Beschlussfassung im Stadtrat, die demnächst erfolgen soll, wird die Stadtverwaltung den Bayerischen Gemeindetag und den Bayerischen kommunalen Prüfungsverband, der den "Generalerlass" bereits in seinem Prüfungsbericht bemängelt und auf eine etwaige Schadensersatzpflicht der Stadtratsmitglieder gegenüber der Stadt hingewiesen hat, um Stellungnahme zum Schreiben der Regierung d.OPf. bitten.

Diese Stellungnahmen werden dann alle Stadtratsmitglieder, zusammen mit der Stellungnahme der Regierung d. OPf. vom 28.02.2011, zur Information vor einer erneuten Beschlussfassung im Stadtrat erhalten.

18.03.11
Neumarkt: "Irreversibel beschädigt"
Telefon Redaktion


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