neumarktonline Dokumentation
Verleihung des
Kultur-Förderpreises
Weihnachtssitzung des Stadtrates am
16. Dezember 2009
Von Bürgermeisterin Ruth Dorner
Sehr geehrte Damen und Herren,
seit 1987 würdigt die Stadt Neumarkt herausragende Persönlichkeiten und Initiativen,
die das Kulturleben wirkungsvoll und über einen längeren Zeitraum hinweg prägen,
mit dem Kulturpreis.
Während dieser vor allem ein Lebenswerk ehrt, sollen mit dem 2006 eingeführten
Kulturförderpreis neue, junge Akzente im Neumarkter Kulturleben ausgezeichnet
werden.
Den ersten Förderpreis erhielt die Musicalgruppe "Der letzte Brief" des Ostendorfer
Gymnasiums für das "Projekt Ilse" im Jahre 2006.
In seiner Sitzung vom 26.11.2009 hat sich der Neumarkter Stadtrat einstimmig dafür
ausgesprochen, dem Orchester Kunterbunt, einem integrativen Ensemble der Singund
Musikschule unter der Leitung von Evelyn Ebert, den Kulturförderpreis des
Jahres 2009 zu überreichen.
Es ist schon erstaunlich:
An ca. 1.000 Musikschulen in Deutschland werden etwa eine Million Schülerinnen
und Schüler von rund 35.000 Lehrkräften unterrichtet.
Diese Zahlen dokumentieren die Bedeutung der Musikschulen, die aus dem
Gesamtangebot kommunaler Bildungs- und Kultureinrichtungen ebenso wenig
wegzudenken sind, wie Museen, Bibliotheken oder Theater. Musikschulen leisten
einen wichtigen Beitrag zur Jugendarbeit, sie sind unverzichtbar für das
Gemeinwesen:
Wer musiziert, lernt zu hören, zuzuhören und zu denken - musikalische Erziehung ist
immer auch ein Stück weit Charakterbildung.
Fast 800 Sing- und Musikbegeisterte erhalten Unterricht an der Sing- und
Musikschule der Stadt Neumarkt.
Auch hier legt man größten Wert darauf, vor allem die Vorschulkinder an die Musik
heranzuführen, ihre individuellen musikalischen Fähigkeiten und Begabungen zu
wecken und sie aus der musikalischen Früherziehung und Grundausbildung dann
zum Instrumental- bzw. Vokalunterricht zu führen. Bei den traditionellen
Klassenvortragsabenden und Schülerkonzerten, bei "Jugend musiziert" oder
sonstigen Wettbewerben werden stets kleine und große Erfolge erzielt.
Doch nicht allein auf musikalische Spitzenleistung kommt es an, sondern auf das
Miteinander, auf die Förderung von Disziplin, Ausdauer und Kreativität.
Die Anregung in Neumarkt Musikunterricht für Menschen mit Behinderungen
anzubieten, kam 2003 von Frau Dr. Dorothee Baur, der Vorsitzenden des
Behinderten-Beirats der Stadt Neumarkt.
Und Musikschulleiter Wolfgang Fuchs musste keine große Überzeugungsarbeit
leisten, um seine Kollegin Evelyn Ebert, die seit 13 Jahren in Neumarkt tätige
Querflötenlehrerin, für die musikalische Arbeit mit behinderten Kindern zu
begeistern.
Und das war eine richtige Entscheidung:
Wir müssen eine gesellschaftliche Situation anstreben, in der es selbstverständlich
und alltäglich ist mit Menschen in all ihren Verschiedenheiten und Behinderungen zu
leben und sie in ihrem "Anders sein" zu akzeptieren.
Für diesen selbstverständlichen Umgang zwischen behinderten und nichtbehinderten
Menschen gibt es letztendlich nur eine Möglichkeit des Lernens, nämlich die
alltägliche Begegnung von Kindheit an.
Frau Ebert stellte sich dieser Herausforderung und absolvierte einen zweijährigen
berufsbegleitenden Lehrgang "Instrumentalunterricht für Menschen mit
Behinderungen an Musikschulen" in Remscheid. Die Kursgebühr wurde vom
Verband deutschen Musikschulen übernommen, die Unterkunft und Verpflegung
vom Förderverein Musikschule. Hier ein besonderer Dank an unseren
Kulturreferenten Arnold Graf, der das Vorhaben intensiv unterstützte.
Evelyn Ebert setzte schließlich ihre neuen Erfahrungen und Fertigkeiten im Frühjahr
2004 in die Tat um.
In einem Presseartikel wurde dieses neue Angebot der Musikschule vorgestellt und
sofort meldeten sich 15 junge Leute mit Behinderungen zum Musikunterricht an.
Bis auf einen Schüler sind heute noch alle anderen mit Begeisterung dabei. Hinzu
kam auch noch eine Musikgruppe bei der Lebenshilfe in Höhenberg.
Ganz auf die individuellen Bedürfnisse ihrer Schüler abgestimmt, begann Evelyn
Ebert zunächst mit der musikalischen Grundausbildung.
Es wurde viel gesungen und auf Orffschen Instrumenten (Handtrommeln,
Schellenkränzen, Rasseln, Xylophonen usw.) gespielt.
Nach einem Jahre waren ihre Schüler soweit, dass sie sich ein Instrument aussuchten
und mit Keyboard, Gitarre, Blockflöte, Melodika und Akkordeon starten konnten.
Ziel jeder Arbeit mit Menschen mit Behinderungen ist jedoch ihre Integration in die
Lebenswelt von Nichtbehinderten, was am Beispiel vom "Orchester Kunterbunt",
dem integrativen Ensemble unserer Musikschule, meisterlich gelungen ist.
Im Ensemble "Kunterbunt" erhalten die behinderten Schüler musikalische
Unterstützung durch Musikschüler aus anderen Klassen.
Zunächst kostete es Evelyn Ebert einige Überredungskunst, um Berührungsängste
abzubauen, doch nach dem zweiten Mal war die Truppe zusammengeschweißt.
Heute wird der integrative Klangkörper sogar noch durch einige musikbegeisterte
Erwachsene verstärkt.
"Kunterbunt" entwickelte eine ganz individuelle Besetzung mit Instrumenten:
Tischharfe, Gitarre, Akkordeon, Xylophon und Keyboard spielen die Menschen mit
Behinderung, während die Menschen ohne Behinderung auf Geige, Querflöte, Fagott.
Posaune, Gitarre, Zither und Hackbrett musizieren.
Bunt und individuell ist nicht nur die Besetzung beim "Orchester Kunterbunt". Dies
gilt auch für das Repertoire.
Die Jugendlichen und die jungen Erwachsenen haben sich mittlerweile ein breit
gefächertes Programm erarbeitet, das von Volksmusik aus verschiedenen Ländern bis
hin zu Rock- und Popmusik reicht.
Die Stücke sind so arrangiert, dass jedes Ensemble-Mitglied eine Stimme spielen
kann, die seinem Niveau entspricht und die er gut auf seinem Instrument spielen
kann.
Jeden Donnerstagnachmittag wird heftig geprobt.
Jeder gibt sein Bestes und sei es nur mit einem Ton.
Jeder hilft jedem und sei es bloß beim Umblättern.
Klang spricht vor allem Emotionen an, und wer einmal das "Orchester Kunterbunt"
gehört und gesehen hat, der wird zweifellos von der Begeisterung und der Spielfreude
dieser jungen Musikanten in den Bann gezogen, wie ich persönlich war am Samstag
beim Weihnachtkonzert der Musikschule hier im Reistadel erfahren durfte und von
eurem Auftritt sehr berührt war.
Bisherige Höhepunkte waren allerdings ein Auftritt im Studiopark des Bayerischen
Rundfunks in Nürnberg, bei der Veranstaltung "Sommer im Park" im Jahr 2006 im
LGS-Park in Neumarkt und das umjubelte Debüt beim Altstadtfest Neumarkt im Jahr
2009.
Liebe Frau Ebert,
es gehört ein großes Maß an Enthusiasmus dazu, gewohnte Pfade zu verlassen und
sich auf neue Erfahrungen durch die Arbeit mit Menschen mit Behinderung
einzulassen, sie dort abzuholen, wo sie stehen und sie mit all ihren Schwächen und
Stärken anzunehmen.
Für dieses überragende Engagement möchte ich mich bei Ihnen im Namen der Stadt
Neumarkt herzlich bedanken.
Liebes "Orchester Kunterbunt",
ich bedanke mich bei Euch Akteuren für Euere großartige menschliche und
musikalische Leistung.
Ihr seid ein hervorragendes Beispiel für gelebte Toleranz, für Lebens- und
Spielfreude trotz oder gerade wegen vieler Behinderungen.
Der Stadtrat und die Bürger dieser Stadt gratulieren dem "Orchester Kunterbunt" zur
Verleihung des Kulturförderpreises 2009, und wir freuen uns jetzt schon auf die
musikalischen Kostenproben im Anschluss an diese Sitzung.
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