neumarktonline Dokumentation
Verleihung Kulturpreis 2011
Von 1. Bürgermeisterin Ruth Dorner
Sehr geehrter Herr Hirn
lieber Hans,
Hans Georg Hirn erhielt den Kulturpreis
Zum 24. Mal vergibt die Stadt Neumarkt in dieser festlichen Weihnachtssitzung einen
Kulturpreis. Die bisherigen Preisträger spiegeln allesamt die Vielfalt der Kultur ihrer
Bürger wider. Die Auszeichnungen ehren überragendes persönliches Engagement
zum Wohle der Kultur für unsere Stadt.
Es ist mir persönlich eine Ehre heute diese Ehrung vornehmen zu dürfen.
Der Kulturpreis des Jahres 2011 zeichnet die außerordentlichen wissenschaftlichen
und persönlichen Leistungen von Hans Georg Hirn bei der Aufarbeitung der
jüdischen Geschichte unserer Stadt aus. Der Kulturpreis des Jahres 2011 ehrt somit
einen Menschen, der Zeit seines Lebens nicht die ganz große Öffentlichkeit gesucht
hat und würdigt damit eine Arbeit, die mehr in der Stille, im Hintergrund entstand.
Lassen Sie mir kurz die wichtigsten Lebensstationen von Hans Georg Hirn
vorstellen:
Hans Georg Hirn, Jahrgang 1941, ist durch und durch ein Neumarkter. Hier
verbrachte der Sohn eines Lehrers seine Kindheit und Jugend. Nach einigen Jahren
Gymnasialzeit in Eichstätt legte er schließlich 1961 das Abitur an der Neumarkter
Oberrealschule ab.
Schon während seiner Schulzeit gehörte Geschichte zu seinen Lieblingsfächern und
so begann für ihn die Verwirklichung eines großen Traumes: das Studium der
Geschichtswissenschaften, Germanistik und politische Wissenschaften an der
Universität Erlangen für das Höhere Lehramt im Jahre 1961.
Bereits nach kurzer Zeit fiel seinen akademischen Lehrern sein enormer Fleiß und
die außerordentliche historische Begeisterungsfähigkeit auf.
Als wissenschaftliche studentische Hilfskraft des berühmte Erlanger Mediavisten
Arno Borst lernte Hans Georg Hirn das historische Handwerkszeug von der Pike auf.
Der Wunsch, irgendwann einmal selbst historische Forschungen betreiben zu
können, geht sicherlich auf diese prägenden Studienjahre zurück.
Doch die bescheidenen finanziellen Verhältnisse seiner Eltern zwangen zu einem
geregelten, oftmals harten Broterwerb. Sein Studium verdiente Hans Georg Hirn als
Arbeiter in der Wasag und bei Pfleiderer. Eine sichere Stelle als Gymnasiallehrer war
ihm wichtiger, als eine unwegsame akademische Laufbahn.
Nach dem Studienabschluss und des Referendariats kehrte Hans Georg Hirn im
Jahre 1969 an seine "alte" Neumarkter Schule als Studienrat für Geschichte,
Deutsch, Sozialkunde zurück. Seither hat er als passionierte Pädagoge und
Wissenschaftler zunächst am Willibald Gluck Gymnasium, dann ab 1971 am
Gymnasium II, dem heutigen Ostendorfer Gymnasium, ganze Schülergenerationen
geprägt und nicht selten hat sein historischer Forscherdrang auch den einen oder
anderen begeistern können. Auch ich gehörte zu deiner Schülerschar, lieber Hans
und dufte dich bei deinem siebenjährigen Auslandsaufenthalt in Griechenland bei meiner
Abiturfahrt in Athen treffen.
Der Eintritt in den Ruhestand im Jahre 2005 markierte schließlich für Hans Georg
Hirn den Beginn einer zweiten, nicht weniger produktiven Lebensphase:
Während viele seiner Kollegen den verdienten Ruhestand mit Reisen und anderen
Hobbys verbringen, konnte sich Studiendirektor a.D. Hans Georg Hirn endlich seiner
Leidenschaft widmen: der wissenschaftlichen Erforschung der jüngsten Geschichte
seiner Heimatstadt.
Nach sechsjähriger intensivster Forschungstätigkeit hat er nun ein viel beachtetes
Standardwerk mit dem Titel "Jüdisches Leben in Neumarkt und Sulzbürg" vorgelegt,
das als 12. Band in der Reihe "Neumarkter Historische Beiträge" des Historischen
Vereins erschienen ist.
In akribischer, ehrenamtlicher, wissenschaftlicher Forschungsarbeit hat er auf 500
Seiten das reiche jüdische Erbe in unserer Gegend von 1298 bis 1933 vor dem
Vergessen bewahrt, die alltäglichen antijüdischen Schikane seit 1938 rekonstruiert
und die letzten Jahre der jüdischen Gemeinde bis zum Jahre 1942 dokumentiert.
Das große Verdienst der Arbeit von Hans Georg Hirn ist vor allem die Bearbeitung
von bislang noch nicht veröffentlichtem Quellenmaterial und die umfangreiche
Befragung von etwa 40 Zeitzeugen.
Briefe der Gestapo, Zeitungsartikel, Auszüge aus dem Geburtsregister der
israelitischen Gemeinde und auch Familienfotos finden sich in Hans Georg Hirns
umfangreichem Buch ebenso wie historische Fakten, beginnend mit der Entwicklung
des Judentums im deutschen Reich, bis hin zur Pogromnacht 1938 und der
Deportation der letzten Neumarkter Juden am Karfreitag 1942.
Auf eigene Kosten hat er in vielen Bibliotheken und Archiven recherchiert. Er
berichtet vom Alltag der Menschen, von Juden im Radfahrverein, von ihren
Geschäften und ihrem Gemeindeleben. Ein Kapitel ist dem jüdischen Friedhof
gewidmet, in anderen schreibt er über die Renovierung der Synagoge im Jahre 1928
und über das Schächten von Gänsen und Enten.
Breiten Raum nehmen die Entwicklung der Judenfeindlichkeit und das Erstarken der
Nationalsozialisten in Neumarkt ein. Ausführlich schildert Hans Georg Hirn die Zeit
von 1933 bis 1942. Er berichtet von SA-Männern, die vor jüdischen Geschäften
patrouillieren, von der Auflösung der israelitischen Frauen- und Männervereine und
von einem jüdischen Schüler, der 1938 von der Dietrich Eckart-Schule verwiesen
wurde.
Hans Hirn hat sich viel Mühe gemacht, einzelne Puzzlesteine, Fakten, persönliche
Aussagen und Fotos zusammenzutragen, um ein umfassendes Zeugnis
unwiederbringlich vergangenen jüdischen Lebens abzulegen.
Seine wissenschaftliche Leistung bestätigt die Fachliteratur. Prof. Dr. Alois Schmidt,
Ordinarius für bayerische Landesgeschichte und Vorsitzender der Kommission für
bayerische Landesgeschichte würdigt Hans Georg Hirns Werk mit folgendem Zitat:
"Es bietet das gesamte verfügbare Wissen zum Thema und wird künftig als das
entscheidende Nachschlagewerk zu dieser Thematik dienen."
Die Fertigstellung seines Buches war auch Anlass für ihn, mit viel persönlichem
Engagement eine Kooperation der Neumarkter Bildungswerke, des Historischen
Verein und des Theater und MusikalVereins MUT ins Leben zu rufen, um eine
vielbeachtete Projektwoche unter dem Titel "Lass` die Vergangenheit ruh´n!?" auf die
Beine zu stellen. Der Musical- und Theaterverein Neumarkt brachte eine
Neuinszenierung des Musicals "Der letzte Brief" auf die Bühne, für das Hans Georg
Hirn die wichtigsten historischen Fakten recherchiert und wesentlich dazu
beigetragen hat, das Bewusstsein der Öffentlichkeit für die jüngere Geschichte zu
schärfen.
Unvoreingenommen wurde das Schicksal der Juden im Nazi-Regime aufgearbeitet,
vorurteilsfrei wurden neue Wege für ein gutes Zusammenleben aufgezeigt.
Als erfahrener Pädagoge gelingt es Hans Georg Hirn zudem, in hervorragender
Weise Jugendliche für lokalhistorische Themen zu begeistern, junge Leute an die
Geschichte unserer Heimat heranzuführen. In vielen, vor allem auch ehrenamtlichen
geleisteten Stadtführungen hat Hans Georg Hirn vor Ort vergangenes jüdisches
Leben immer äußerst anschaulich und eindrucksvoll vermittelt.
Sein großes Verdienst ist es auch, dass er im Jahre 1999 den Text der Neumarkter
Passionsspiele von Pater German Mayr mit großer Sorgfalt und Sachkenntnis neu
bearbeitet und einige Szenen sogar neu schrieb. Für die Spiele 2009 hat er
nochmals keine Mühen gescheut, um den Text vom Leben und Leiden Christi noch
anschaulicher und zeitgemäßer zu gestalten.
Mit der Verleihung des Kulturpreises an Hans Georg Hirn ehrt die Stadt Neumarkt ein
überragendes ehrenamtliches Engagement um die Erforschung ihrer jüngeren
Geschichte, speziell die ihrer jüdischen Mitbürger.
Hätte Hans Georg Hirn sich nicht dieses sensiblen Themas angenommen und trotz
mancher Höhen und Tiefen - dieses Projekt realisiert – heute wäre es nicht mehr
möglich, denn zwei Drittel seiner Gesprächspartner sind inzwischen verstorben.
Mit seinem Standardwerk trägt der Autor dazu bei, dass keiner der in den
Konzentrationslagern ermordeten jüdischen Mitbürger unserer Stadt je in
Vergessenheit gerät und ein wichtiger Schritt zur Aussöhnung von Juden und
Nichtjuden unternommen wird.
Mit der Verleihung ermutigt die Stadt Neumarkt den Historiker Hans Georg Hirn
weiterhin zu forschen und zu formulieren, zu recherchieren und zu referieren. Er
arbeitet bereits jetzt an einer Geschichte der Stadt Neumarkt von der Nachkriegszeit
bis zum Ende des 20. Jahrhunderts und wir alle wünschen dir, lieber Hans, dass du
bei guter Gesundheit dein historiographisches Lebenswerk vollenden kannst.
Die Stadt Neumarkt wünscht dir weiterhin große Resonanz bei deinem steten
Bemühen, die reiche und wechselvolle Geschichte unserer Stadt Neumarkt zu
erforschen und lebendig zu halten.
Mit deiner beispielgebenden Arbeit trägst du, lieber Hans , dazu bei, dass wir unsere
Arbeit in der Gegenwart im Licht und im Spiegel unserer historischen Wurzeln sehen.
Aus diesem Grund war es sehr berechtigt, dass der Stadtrat in seiner Sitzung vom
24.11.2011 einstimmig beschlossen hat, dir, lieber Hans Hirn den
Kulturpreis der Stadt Neumarkt i.d.OPf 2011
zu verleihen.
Ich gratuliere dir hierzu persönlich und im Namen der Stadt sehr herzlich
Es handelt sich hier um das zur Verfügung gestellte Rede-Manuskript. Die tatsächlich gehaltene Rede kann davon geringfügig abweichen
14.12.2011