Betriebsamkeit statt Sekt


Die Neumarkter Delegation wird im Rathaus von Straßburg empfangen.


Albert Deß und Heidi Rackl, flankiert von ihren Praktikanten Ju-
lia Fenzel und Stefan Höcherl.
Fotos: Erich Zwick
NEUMARKT/ STRASSBURG. Die Europäische Union begeht am Sonntag ihren 50. "Geburtstag". Bundeskanzlerin Angela Merkel will an diesem Tag mit einer Erklärung der 27 Staats- und Regierungschefs den Boden bereiten, um die Blockade der Verfassung durch Frankreich und Holland zu lösen.

In vielen Großstädten wird in unterschiedlicher Weise an die Unterzeichnung der römischen Verträge erinnert: So brüstet sich Nürnberg mit einem "verkaufsoffenen Sonntag", der aber eher zufällig und zunächst unbewusst mit dem EU-Jubiläum zusammenfällt. Da sind die EU-Torten, mit denen die Konditoren aufwarten, schon ehrlicher gemeint.

Und wie wird der "runde" Jahrtag dort begangen, wo europäische Politik "gemacht" wird - in Brüssel oder in Straßburg? Wer glaubt, das Parlament befinde sich in Feierstimmung, der irrt gewaltig. Eine Woche vor dem denkwürdigen 25. März besuchte eine politisch interessierte Gruppe Neumarkter jeden Alters auf Einladung von Europaabgeordnetem Albert Deß das Europäische Parlament in Straßburg, wo statt Sektkorkenknallen alltägliche Betriebsamkeit herrschte.

Vor allem wurde mit einem Vorurteil aufgeräumt, das immer noch in den Köpfen herumgeistert: "Die in Brüssel/Straßburg machen nur ärgerliche Gesetze".

Ein weiterer Vorwurf rührt daher, dass sich der Slogan "Hast du einen Opa, schick ihn nach Europa" tief eingeprägt hat. Darüber können die Abgeordneten nur milde lächeln. Denn sie wissen genau, was sie bewirken können, weil sie keinem Fraktionszwang unterliegen und sie nach "gesundem Menschenverstand" abstimmen können.

"Wenn ich eine Mehrheit brauche", verrät da der oberbayerische Abgeordnete Alexander Radwan, "dann suche ich mir die quer durch die Parteien - und wenn's sein muss, sogar bei den Kommunisten."

Der gleiche Abgeordnete hat ein Beispiel parat, wie EU-Gesetze missverstanden werden können und dann zur Verärgerung führen. Alexander Radwan gehört auch dem Rat seiner Heimatgemeinde Miesbach an, und da muss er sich "hautnah" anhören, was "die da droben in Brüssel für einen Schmarrn beschließen".

So wurde er von einem Landwirt angefeindet, weil dieser auf seiner Alm die Bio-Rinder von seinen "normalen" Tieren durch einen Zaun trennen soll. "Die fressen doch das gleiche Gras und saufen von der selben Quelle", erzürnte sich der Bauer. Zu Recht, wie auch der Europa-Abgeordnete befand und sich die EU-Richtlinie vornahm. Und siehe da: nicht "die da droben", sondern "die da drunten im Landratsamt" hatten das Gesetz falsch interpretiert.

Darum ist es nur von Vorteil, wenn man "seinen" Europa-Abgeordneten kennt - so wie die Neumarkter, bzw. die Oberpfälzer "ihren" Albert Deß. Er braucht sich über mangelnde Popularität nicht zu beklagen; denn er hat die "Bodenhaftung" nicht verloren. Und wenn er nicht bei jedem Feuerwehrfest zwischen Tschechien und Beilngries mitmarschieren kann, so steht sein CSU-Europabüro in der Weinbergerstraße 18 in Neumarkt für jeden offen.


Albert Deß steht seinen wissbegierigen Gästen Rede und Ant-
wort. Die Sessel, auf denen die Neumarkter Platz genommen
haben, sind mit denen im Parlament identisch und äußerst un-
bequem. Vielleicht deshalb, dass niemand einschlafen kann?
Das ist theoretisch sein Büro in Straßburg auch, aber wenn zwei Besucher auf einmal kommen, dann wird's auf den fünfzehn Quadratmetern recht eng. Vom Schreibtisch aus verfolgt er die Parlamentsdebatte, eilt in den Plenarsaal, um seinen Standpunkt darzulegen, hält Kontakte zu seinem ureigensten Themengebiet, die Landwirtschaft. Die ständige Aktualisierung seines Internet-Auftritts www.albert-dess.de erfordert ebenfalls ihre Zeit.

Ihm gegenüber koordiniert Mitarbeiterin Heidi Rackl Termine, Sitzungen, Gespräche, erledigt Korrespondenz und Telefonate. Zum Team gehören gegenwärtig weiter zwei Praktikanten: Julia Fenzel aus Sulzbach-Rosenberg (will Journalistin werden) und Stefan Höcherl aus Neumarkt. Sind alle im Raum, wird's mit Besucherstühlen knapp. Da weicht dann der Praktikant auf zwei übereinander gestapelte Blechkoffer aus, derweil kann der Besucher seinen Blick vom zehnten Stockwerk des Büroturms über die ihn zu Füßen liegende Stadt Straßburg schweifen lassen.

Platz dagegen gibt es genug auf der Besucher-Tribüne des Parlaments. Da wurden die Neumarkter Gäste Augen- und Ohrenzeugen in der Auseinandersetzung bei der Verletzung von Menschenrechten und beim Tierschutz.

Beeindruckend wie Abgeordnete quer durch Europa gegen das unwürdige Ermorden von Robben vor Kanadas Küsten kämpften. Sie wollten eine Resolution erwirken, nach der die Einfuhr von Robbenfellen untersagt werden soll. Ihr leidenschaftliches Engagement zeitige aber nur einen halben Erfolg, da der zuständige Kommissar erst noch ein Gutachten in Auftrag geben will. "Hoffentlich dauert dies nicht Jahre", rief ihm ein Abgeordneter erbost hinterher. Lapidar kam die Antwort zurück: "Nein, nur Monate."

Diesen kleinen Streifzug durch den parlamentarischen Arbeitsalltag vertieften anschließend MdEP Albert Deß und - nachdem dieser zu einer Abstimmung gerufen wurde - seine Mitarbeiterin Heidi Rackl. Beide konnten mit vorgefassten Meinungen aufräumen, und am Schluss zogen die Gäste einhellig das Resümee: "So stressig haben wir uns das nicht vorgestellt."
Erich Zwick


Nach den Strapazen der Reise tut ein gemütliches Beisammensein mit dem Abgeordneten Albert Deß gut.
24.03.07
Neumarkt: Betriebsamkeit statt Sekt
Telefon Redaktion


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