"Bionorica" expandiert

"Gewisse Realitätsfremde"

NEUMARKT. Am Rande der Stadtratssitzung wurde ein Brief des Bionorica-Vorstandsvorsitzenden Prof. Dr. Michael Popp bekannt, in dem dieser mit einem Unternehmer-"Nachbarn" hart ins Gericht geht.

Nachdem im Vorfeld Brauerei-Chef Franz Xaver Gloßner halb-öffentlich Kritik an der geplanten Bionorica-Erweiterung geäußert und statt dessen einen "1:1-Tausch" von Flächen der beiden Unternehmen ins Spiel gebracht hatte, riß Popp der Gedulsfaden: "für wie doof hält eigentlich Herr Gloßner in diesem Fall seine Verhandlungspartner", erklärte er in einem Schreiben, das neumarktonline vorliegt.

Bei der Glossner-Kalkulation von einem "Angebot" der Firma Glossner zu sprechen lasse auf "eine gewisse Realitätsfremde schließen", hieß es weiter. Ein 1:1-Tausch wäre wohl eher ein 3:1-Gewinn für Glossner.

Bionorica habe übrigens vor rund einem Jahr konkrete Verhandlungen mit Glossner abgebrochen, nachdem alle Versuche, "Glossner von diesen überzogenen Überlegungen in langen Verhandlungen herunterzubringen", erfolgslos waren, heißt es in dem dreiseitigen Schreiben, das am Donnerstag unter Stadträten kursierte.
NEUMARKT. Die Neumarkter Stadträte wollten den Expansions-Plänen der Firme Bionorica nicht im Weg stehen und änderten Bebauungs- und Flächennutzungsplan.

Das weit über die Grenzen der Stadt und des Landkreises hinaus bekannte Unternehmen braucht wegen ihres starken Wachstums dringend zusätzliche Erweiterungsflächen für Verwaltung, Lagerung und Produktion, hieß es bei der Stadtratssitzung am Donnerstagabend.

Die Erweiterungen sind auf dem jetzigen Betriebsgrundstück aber auch westlich der Kerschensteiner Straße geplant. Dafür ist aber im Bereich zwischen der Kerschensteiner Straße und der Bahnlinie die Ausweisung weiterer gewerblicher Bauflächen und Parkplatzflächen erforderlich. Die Stadträte stimmten schließlich den notwendigen Änderungen im Bebauungsplan und im Flächennutzungsplan zu, obwohl - wie auch kritisch angemerkt wurde - das Heranrücken der Firma an die Bahnlinie und das Eindringen in das geschützte Waldgebiet durchaus Probleme bereiten könne.

Mehrere Stadträte regten an, möglicherweise doch noch einmal nach alternativen Grundstücken für das Unternehmen zu suchen. Allerdings verwies Oberbürgermeister Thomas Thumann an die umfangreichen Verhandlungen der Vergangenheit und sah in dieser Richtung "kein Licht am Ende des Tunnels".

Bevor die Stadträte schließlich mit großer Mehrheit zustimmten, wurde immer wieder auf die Bedeutung des Unternehmens und seiner Arbeitsplätze hingewiesen.

Das Neumarkter Unternehmen boomt seit Jahren mit Medikamenten aus natürlichen Heilpflanzen - obwohl die gesetzlichen Krankenkassen für solche Präparate in der Regel nicht mehr zahlen und der Absatz pflanzlicher Arzneimittel in Deutschland im vergangenen Jahr leicht gesunken ist.

Bei Bionorica kletterte dagegen der Umsatz um mehr als 18 Prozent auf einen Rekord-Erlös von gut 200 Millionen Euro. Mit weltweit über 1000 Mitarbeitern forscht das Pharma-Unternehmen aktuell an rund 100 neuen Pflanzen als natürliche Heilbringer für die Apotheke der Zukunft.

Schon heute sind pflanzliche Medikamente aus Ostbayern bei vielen Beschwerden eine "sanfte" Konkurrenz für die "chemischen Keulen" der großen Pharma-Konzerne: Nicht nur bei Atemwegserkrankungen, auch bei Beschwerden in den Wechseljahren, der Stärkung des Immunsystems oder Blasenentzündungen sind Medikamente mit der "Heilkraft der Natur" inzwischen eine echte Alternative.

Das Potential für wirksame Präparate aus dem Kräutergarten ist riesig: Nur ein Bruchteil der Wirkstoffe aus den weltweit wachsenden tausenden Heilpflanzen ist bisher erforscht. Daher steckt das Neumarkter Unternehmen jedes Jahr Millionen in die Erforschung und Entwicklung neuer pflanzlicher Medikamente. Aktuell untersuchen die Neumarkter rund 100 potentielle Heilpflanzen, um beispielsweise Wirkstoffe gegen Leber- und Magen-Darm-Erkrankungen zu finden.

Doch der Weg von der Pflanze zum fertigen Medikament ist lang: Allein eine Heilpflanze enthält bis zu 500 Wirkstoffe, die es zu untersuchen gilt. Bis Wissenschaftler dann standardisierte Anbaumethoden entwickelt, optimales Saatgut gezüchtet und neue Produktionstechnologien umgesetzt haben, vergehen oft Jahre. Die strengen Zulassungsverfahren für pflanzliche Arzneien kosten zusätzlich Zeit.

Aber der Aufwand lohnt sich: Das beweist vor allem Bionoricas erfolgreichstes Erkältungsmedikament "Sinupret" als das meistverkaufte pflanzliche Präparat Deutschlands. Allein im vergangenen Jahr hat sich die Zahl der verkauften Packungen aus dem Sinupret-Sortiment um gut eine Million auf rund neun Millionen erhöht.

Nicht nur in Deutschland ist Bionorica heute Marktführer auf dem "Phytopharmaka-Markt". Besonders in vielen Ländern Osteuropas wächst der Absatz rasant. Probleme gibt es aber mit der Expansion beispielsweise in den USA oder Großbritannien: Denn dort gibt es keine Unterscheidung von pflanzlichen Arzneimitteln und Nahrungsergänzungsmitteln.

Das Erfolgsgeheimnis der "natürlichen Heilbringer" aus Neumarkt liegt vor allem in ihrer geprüften Wirksamkeit, heißt es. Um die pflanzlichen Medikamente in umfangreichen Studien zu testen, kooperiert Bionorica mit rund 500 Universitäten und Kliniken rund um den Globus. Zu kaufen gibt es die "natürlichen" Präparate aus Neumarkt ausschließlich in der Apotheke - auch wenn pflanzliche Arzneimittel seit 2004 in der Regel nicht mehr von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt werden.
no/obx-news
16.05.13
Neumarkt: "Bionorica" expandiert
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